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Leseprobe CONNEXI 2020-3 Infektiologie

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fachmagazin infektiologie, hiv, aids, hepatitis, corona, covid-19

SUCHTERKRANKUNGEN Neue

SUCHTERKRANKUNGEN Neue Entwicklungen Markus Backmund, München ©devenorr/Alamy Stock Foto In den letzten Jahrzehnten wurden entscheidende Entwicklungen in der Suchtmedizin jeweils wegen der durch neue Infektionskrankheiten hervorgerufenen Angst ermöglicht. Die aktuelle Coronapandemie verdeutlicht jedoch einmal mehr, dass es immer noch erhebliche Defizite gibt. Im Umgang mit Suchtkranken als besonders gefährdete Patientengruppe bedarf es eines neuen Bewusstseins. CONFERENCES Obwohl es im Umgang mit Suchterkrankungen nach mühevollen Kämpfen Fortschritte gegeben hat, sind Drogen-, Alkohol- oder Medikamentensucht nach wie vor ein gesellschaftliches Tabuthema. Betroffene werden häufig diskriminiert, erforderliche Therapien werden ihnen zum Teil vorenthalten, ihre Erkrankung nicht als solche wahrgenommen und zu oft ignoriert. Diese Phänomene lassen sich seit Bekanntwerden des HI-Virus wie auch nach der Entdeckung des Hepatitis-C- Virus beobachten. Auch in der Coronapandemie zeigt sich, dass in den vergangenen Jahrzehnten anscheinend kaum etwas dazugelernt wurde. HIV-Infektion Die AIDS-Epidemie Ende der 1980er-Jahre machte vielen Politikern und der Bevölkerung Angst. Das Bundesgesundheitsministerium stellte im Bereich Drogenabhängigkeit, um den sich bis dahin niemand gekümmert hatte, zu Beginn der 1990er-Jahre Forschungs gelder zur Verfügung, und so konnte die qualifizierte Entzugsbehandlung eine Lücke im Therapieangebot schließen. Bis Ende der 1980er-Jahre galt bei Opioidabhängigkeit allein die sofortige Abstinenzbehandlung im Rahmen einer Langzeittherapie über 20

18 Monate als Königsweg: Die Drogenabhängigen mussten den Kontakt zu einer Drogenberatungsstelle suchen, in der Lage sein, einen Lebenslauf zu verfassen und sich für einen Platz in der durch die Rentenversicherungsträger finanzierten Langzeittherapie bewerben. Zur körperlichen Entgiftungsbehandlung wurden sie nur aufgenommen, wenn sie einen Langzeittherapieplatz direkt im Anschluss vorweisen konnten. Spezielle Stationen, die Entgiftungsplätze bereitstellten, gab es kaum. Aus ideologischen Gründen wurde eine dauerhafte Substitutionsbehandlung abgelehnt. Mögliche Schmerzen während der Entgiftungsbehandlung wurden wohl im Sinne einer Aversionstherapie als willkommen angesehen. Anfang der 1990er-Jahre wurde zur Linderung der Entzugssymptome eine Substitutionsbehandlung mit Levomethadon begonnen und homolog langsam herunter dosiert. Gleichzeitig konnte sozialtherapeutisch und psychotherapeutisch behandelt werden, die sogenannte qualifizierte Entzugsbehandlung war gefunden [1, 2]. Hepatitis-C-Infektion Substitutionspatienten ihre HIV- und Hepatitis-C- Medikamente sehr zuverlässig einnehmen können, trugen dazu bei, dass die Substitutionsbehandlung nach jahrzehntelangen Bemühungen als Therapie der ersten Wahl anerkannt worden ist [5, 6]. Coronavirusinfektion Prof. Dr. med. Markus Backmund Markus.Backmund@p-i-t.info © P3 – Center of Excellence 1989 wurde das Hepatitis-C-Virus entdeckt, und bald wurde deutlich, dass Opioidabhängige die Hauptbetroffenen sind. Dennoch wurde Opioid abhängigkeit 1997 in der Empfehlung zur Behandlung der Hepatitis C als Kontraindikation aufgeführt. Begründet wurde das damit, dass „Suchtkranke“ per se unzuverlässig seien. Diese Diskriminierung verhinderte die Behandlung einer schweren Erkrankung [3]. Durch wissenschaftliche Studien konnte belegt werden, dass vor allem während der Substitutionsbehandlung eine Hepatitis-C-Therapie sehr erfolgreich sein kann [4]. In der Folge durften Suchtkranke mit Hepatitis C adäquat behandelt werden. Die wissenschaftlich belegten Erkenntnisse, dass Ende 2019 brach die Pandemie mit dem neuen Virus SARS-CoV-2 aus. Das HI- und Hepatitis- C- Virus haben gemein, dass sie über Blutkontakte übertragen werden und somit die intravenös Drogenabhängigen besonders gefährdet sind. Bei der SARS-CoV-2-Infektion sind alle Menschen ansteckungsgefährdet, da das Virus sich mittels Tröpfchen verbreitet. Die natürlicherweise entstehende Angst vor neuen Infektionskrankheiten wurde und wird gezielt durch Politik und Medien ins schier unermessliche gesteigert. So ist alles durchsetzbar. Die Menschen befolgen die Bestimmungen, nicht weil sie sie nachvollziehen und verstehen, sondern aus Angst. Alternativen werden nicht diskutiert. Nicht CONFERENCES 21

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