DAGNÄ-SYMPOSIUM CONFERENCES und mit Descovy behandelte PLWHIV oft von der Dynamik überrascht. Zunächst bestand noch eine gewisse Hoffnung auf eine pauschale Einigung zwischen GKVen und Gilead. Außerdem gab es auf Patientenseite häufig das Missverständnis, die Zuzahlungspflicht wäre auch bei der Festbetragsregelung nach oben gedeckelt. Jedoch gibt das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) ausdrücklich vor, dass die Krankenkasse ihre Leistungspflicht „mit dem Festbetrag vollständig erfüllt“, und das Gesetz droht der GKV sogar an dieser Stelle Regress an, sollte diese „Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbringen“. Mit Kulanz der GKVen ist daher nicht zu rechnen, was auch die bisherige Erfahrung aus zahlreichen – und gut begründbaren – Anträgen auf vollständige Kostenübernahme für Descovy ist. Dort, wo Umstellungen erfolgen mussten, verlief das nicht immer nur zur Zufriedenheit der Betroffenen. Daraus resultieren erhebliche Vertrauensverluste im Behandlungsverhältnis und in das medizinische Versorgungssystem. Es bleibt begreiflicherweise stets ein Unbehagen, wenn eine – oft jahrelang problemlos verordnete – individuell exzellent vertragene ART nunmehr nur noch zuzahlungspflichtig verfügbar ist. Es besteht Handlungsbedarf Dass eine seit Jahrzehnten bestehende Festbetragsregelung erst seit jüngstem patentgeschützte Medikamente trifft, hat vornehmlich mit dem AMNOG zu tun, das erst durch die obligate ökonomische Bewertung von neuen Arzneimitteln die Basis dafür schuf, Präparate ohne Zusatznutzen in Festbetragsgruppen zu zwingen. Künftige Festbetragsregelungen für Kombinationspräparate, also für alle bevorzugten antiretroviralen Arzneien, sind daher absehbar. So gilt seit dem 01.04.2021 inzwischen eine Festbetragsgruppenbildung für die ATC J05AR06 (Efavirenz+FTC+TDF), Gruppe 1, in Stufe 1 und hat zur Folge, dass PLWHIV bei einer Verordnung des Originalpräparates dieses historisch ältesten antiretroviralen STR eine jährliche Zuzahlung von über 5.000 Euro leisten müssen. Es sollte künftig sichergestellt werden, dass in der Folge künftiger Festbetragsregelungen nicht Tausende von PLWHIV ihre ART umstellen oder die Krankenkasse wechseln müssen. Mehrere Lösungen sind vorstellbar, auch solche, die einvernehmlich für alle Interessensgruppen sein könnten. Ansonsten hätte es ja keine Einigung auf Rabattverträge zu Descovy mit einzelnen GKVen geben können. Hier gilt das Zitat von Goethe: „Es ist nicht genug zu wollen, man muss es auch tun!“. Prof. Dr. med. Matthias Stoll Klinik für Rheumatologie und Immunologie Medizinische Hochschule Hannover Carl Neuberg Straße 1, 30625 Hannover Prof. Dr. Matthias Stoll stoll.matthias@mh-hannover.de 50
SEXUELLE GESUNDHEIT UND DIE MORAL PrEP jetzt? − Echt jetzt! Jörn Valldorf, Berlin © Shutterstock/ADragan Lassen Sie mich mit einer Geschichte beginnen… Eines Morgens wachte ich auf und hatte schmerzende Pusteln am Rücken. Merkwürdig, dachte ich, keine mir bekannte sexuell übertragbare Krankheit äußert sich so. Also ab zu einem Hautarzt. Die Diagnose war schnell gestellt: Es war eine Gürtelrose. Die junge Ärztin legte aber nach: In ihrem Alter ist das kein gutes Zeichen − wir sollten einen AIDS-Test machen. Ich meinte trocken, dass ein HIV-Antiköpertest nicht nötig wäre, ich nähme die PrEP und mein letzter Test vor vier Wochen sei nicht reaktiv gewesen. „Was nehmen Sie…?“ Sie können sich denken, wie der weitere Dialog verlief. Das erschreckende an dieser Geschichte ist zum einen, dass sie sich in Berlin zugetragen hat und nicht in einer Kleinstadt irgendwo in der Republik und zum anderen auch nicht 2016, als noch kaum eine*r 1 etwas von PrEP gehört hatte, sondern im April des vergangenen Jahres. Mich hat die Geschichte auch deshalb so überrascht und 1 Die Redaktion hat auf Wunsch des Autors entschieden, einmalig, anders als sonst in diesem Heft üblich (s. Impressum), eine gegenderte Text- Version mit Sternchen zuzulassen. Hintergrund ist die Tatsache, dass die PrEP als ein Mittel zur HIV-Prävention bei Frauen, Trans-Menschen und nonbinären Menschen stärker bekannt werden muss und die Zugänge zu einer PrEP vereinfacht werden müssen. Hierfür ist die geschlechtssensible Ansprache besonders wichtig. Aus diesem Grund drucken wir die Auszüge dieses Vortrags in der Form ab, in der er gehalten wurde. CONFERENCES 51
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