A NEW LIFE FOR SODIUM IN NEPHROLOGY CONFERENCES Prof. Dr. med. Ferruh Artunc ferruh.artunc@med.uni-tuebingen.de die Ausscheidung von aktiven Serinproteasen im Urin, entscheidend für die Ödementstehung beim nephrotischen Syndrom in vivo ist (Abbildung 1). Sie ließ jedoch offen, welche Serinprotease diesen Effekt vermittelt, da Aprotinin als unspezifischer Serinprotease-Inhibitor neben Plasmin eine Reihe weiterer Serinproteasen inhibiert. Spielt die Proteasurie auch bei Patienten mit nephrotischem Syndrom eine Rolle? Ähnlich wie bei nephrotischen Mäusen fand sich im Urin von nephrotischen Patienten eine aprotininsensitive Serinproteaseaktivität, die mit der Überwässerung nach Bioimpedanz-Spektroskopie korrelierte [6]. Bei n=171 Patienten mit chronischer Nierenerkrankung aufgrund unterschiedlicher Grunderkrankungen fand sich eine Überwässerung, die mit fallender GFR und zunehmender Albuminurie (höheres G- und A-Stadium) kontinuierlich anstieg [7]. Die Proteinurie ging in hohem Maße mit einer Ausscheidung von aktiven Serinproteasen wie Plasmin oder Plasma- Kallikrein im Sinne einer Proteasurie einher [8]. In multivariater Regression war die Proteinurie bzw. Proteas urie ein unabhängiger Prädiktor der Überwässerung. Bemerkenswert war, dass die Beziehung zwischen Überwässerung und Proteinurie bzw. Proteasurie über den gesamten Bereich linear war und damit auch für Patienten mit geringer Proteinurie galt, die gewöhnlich als nichtnephrotisch bezeichnet werden. Die Daten an Patienten geben bislang keinen Anlass anzunehmen, dass die Proteasurie bei nephrotischen Patienten nicht eine ähnlich wichtige Rolle spielt wie im nephrotischen Mausmodell, allerdings fehlen noch definitive klinische Studien. Welcher Ansatz trifft zu? Underoder Overfill? Oder beides? Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ging die Überwässerung mit einer erniedrigten Reninaktivität und Serum-Aldosteron-Konzentration einher [7]. Dies lässt sich durch eine Suppression des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS) durch die Hypervolämie erklären und weist auf Overfill Proteasurie nephrotische Proteinurie ENaC-Aktivierung Natrium-Retention Ödeme Underfill Hypoalbuminämie RAAS-Aktivierung Abbildung 2: Integrativer Erklärungsansatz zur Ödementstehung beim nephrotischen Syndrom. 10
A NEW LIFE FOR SODIUM IN NEPHROLOGY eine aldosteronunabhängige Natriumretention durch die Proteasurie im Sinne der Overfill-Theorie hin. Hingegen wurde im Mausmodell ein Anstieg der Plasma-Aldosteron-Konzentration beobachtet, was auf einen gleichzeitigen Underfill hinweist [6, 9]. Eine RAAS-Aktivierung findet sich auch häufig bei pädiatrischen Patienten mit schwerer Hypoalbuminämie [10]. Die Debatte um Underfill oder Overfill kann am besten mit einem integrativen Ansatz gemäß Abbildung 2 erklärt werden, nach dem die Proteasurie als Teil der Proteinurie zu einer primären ENaC-Aktivierung führt und bei schwerer Hypoalbuminämie durch einen Underfill überlagert werden kann. Beide Ansätze münden gemeinsam in eine ENaC-Aktivierung und renale Natrium-Retention. Hemmung der Proteasurie als therapeutischer Ansatz Die Studie mit Aprotinin an nephrotischen Mäusen hat zum ersten Mal gezeigt, dass die Proteinurie und die damit verbundene Proteasurie nicht nur einen Krankheitsmarker darstellen, sondern eine pathophysiologische Bedeutung erlangt und das Natriumhandling entscheidend mitbestimmt. Daher könnte die pharmakologische Beeinflussung der Proteasurie einen neuen therapeutischen Ansatz darstellen, um die Ödementstehung und Natrium-Retention zu hemmen. Bevor dieser Ansatz in die klinische Medizin übertragen werden kann, sind weitere Studien erforderlich, um die pathophysiologisch relevanten Serinproteasen zu identifizieren und geeignetere Inhibitoren als das Aprotinin mit seinem breiten Spektrum zu finden, das unter anderem wegen renaler Nebenwirkungen vom Markt genommen wurde. Die Hemmung der Proteas urie und Verhinderung einer ENaC-Überaktivierung könnte ein besserer Ansatz zur Behandlung der Natriumretention sein, als eine direkte ENaC-Blockade mittels Amilorid, die durch das Risiko einer Hyperkaliämie limitiert ist [11]. Aufgrund der engen Korrelation der Proteasurie mit der Proteinurie wird eine Hemmung der Proteasurie auch indirekt durch jegliche Reduktion der Proteinurie erreicht. Umso mehr scheint es daher geboten, das Therapieziel einer Reduktion der Proteinurie unter 1 g/24 Stunden oder weniger durchzusetzen. Referenzen 1. Bockenhauer D. Over- or underfill: not all nephrotic states are created equal. Pediatric nephrology (Berlin, Germany) 2013; 28: 1153–6. 2. Deschenes G, Wittner M, Stefano A, Jounier S, Doucet A. Collecting duct is a site of sodium retention in PAN nephrosis: a rationale for amiloride therapy. J Am Soc Nephrol 2001; 12: 598–601. 3. Kleyman TR, Carattino MD, Hughey RP. ENaC at the cutting edge: regulation of epithelial sodium channels by proteases. J Biol Chem 2009; 284: 20447–51. 4. Haerteis S, Krappitz M, Diakov A et al. Plasmin and chymotrypsin have distinct preferences for channel activating cleavage sites in the gamma subunit of the human epithelial sodium channel. J Gen Physiol 2012; 140: 375–89. 5. Svenningsen P, Bistrup C, Friis UG et al. Plasmin in nephrotic urine activates the epithelial sodium channel. J Am Soc Nephrol 2009; 20(2): 299–310. 6. Bohnert BN, Menacher M, Janessa A et al. Aprotinin prevents proteolytic epithelial sodium channel (ENaC) activation and volume retention in nephrotic syndrome. Kidney Int 2018; 93: 159–72. 7. Schork A, Woern M, Kalbacher H et al. Association of plasminuria with overhydration in patients with CKD. Clin J Am Soc Nephrol 2016; 11: 761–9. 8. Haerteis S, Schork A, Dorffel T et al. Plasma kallikrein activates the epithelial sodium channel (ENaC) in vitro but is not essential for volume retention in nephrotic mice. Acta Physiol (Oxf) 2018 [Epub ahead of print]. 9. Artunc F, Nasir O, Amann K et al. Serum- and glucocorticoid-inducible kinase 1 in doxorubicin-induced nephrotic syndrome. Am J Physiol Renal Physiol 2008; 295: F1624–34. 10. Vande Walle JG, Donckerwolcke RA, van Isselt JW et al. Volume regulation in children with early relapse of minimalchange nephrosis with or without hypovolaemic symptoms. Lancet 1995; 346: 148–52. 11. Unruh ML, Pankratz VS, Demko JE et al. Trial of amiloride in type 2 diabetes with proteinuria. Kidney Int Rep 2017; 2: 893–904. CONFERENCES 11
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