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Leseprobe CONNEXI Nephrologie Ausgabe 6-2018

VON DER KINDHEIT BIS INS

VON DER KINDHEIT BIS INS ERWACHSENENALTER X-chromosomal-dominante hypophosphatämische Rachitis Dieter Haffner, Hannover Ein genetisch bedingter abnormer Phosphatverlust mit dem Urin gehört zu den seltenen Erkrankungen. Er beruht entweder auf einem primären Tubulusdefekt, der den natriumvermittelten Phosphattransport im proximalen Tubulus verändert oder, eher häufiger, auf erhöhten zirkulierenden Konzentrationen phosphaturischer Hormone, besonders des Fibroblast Growth Factor 23 (FGF 23). Dieses Hormon wurde erstmals beschrieben als das phosphaturische Hormon, das die autosomal dominante hypophosphatämische Rachitis (ADHR) verursacht [1]. Bei dieser Erkrankung verhindern Missense-Mutationen in der Schneidedomäne des Proteins seine Inaktivierung [2]. Kurz danach erkannte man, dass FGF 23 durch mesenchymale Tumorzellen abnormal exprimiert wird, was die tumorassoziierte Osteomalazie verursacht [3] und ferner, dass erhöhte FGF- 23-Spiegel typisch sind für mehrere genetische Störungen, die mit Osteomalazie oder Rachitis einhergehen [4]. FGF 23 ist also der Hauptverursacher der genetischen Formen der Hypophosphatämie. Die häufigste dieser Erkrankungen ist der sogenannte Phosphatdiabetes – die X-chromosomal-dominante hypophosphatämische Rachitis (XLH, OMIM 307800), mit fast 80 % der Fälle [5]. Die Krankheit tritt bei schätzungsweise vier von 100.000 Lebendgeburten auf. Verursacht wird sie durch Mutationen im PHEX-Gen (Phosphate regulating Endopeptidase homologue, X linked) [6]. Dieses Gen codiert ein zelloberflächengebundenes Restriktionsenzym, das hauptsächlich in Osteoblasten, Osteozyten und Zahndentinzellen exprimiert wird. CONFERENCES Die XLH bei Kindern fällt normalerweise im zweiten Lebensjahr auf. Die Kinder entwickeln eine Rachitis, einen abnormen (watschelnden) Gang, Deformationen der Beine und einen dysproportionierten Kleinwuchs [7, 8]. Erwachsene sind kleinwüchsig, haben Deformationen der Beine und eine Osteomalazie. Sie neigen zu Frakturen und Pseudofrakturen der Knochen und leiden oft unter Schmerzen, Steifigkeit der Gelenke, Enthesiopathien und Zahnabszessen. Ihre Lebensqualität ist dadurch erheblich beeinträchtigt [9]. FGF 23 entfaltet seine Wirkung in den Zellen des proximalen Tubulus. Dort hemmt es die Expression der natriumvermittelten Phosphat-Transporter (NaPi-IIa und NaPi-IIc) im Bürstensaum sowie die 1-alpha-Hydroxylierung von Vitamin D3 in den Mitochondrien (Abbildung 1). Daher bestand die Behandlung der XLH seit Jahren in der Supplementierung von Phosphat und aktivem Vitamin D3. Dies kann einige der Folgen der erhöhten Spiegel des zirkulierenden FGF 23 ausgleichen, korrigiert allerdings bei den meisten Patienten nicht den XLH-Phänotyp. Die Gründe hierfür sind immer noch nicht vollständig geklärt. Außerdem erhöht die konventionelle Behandlung die zirkulierenden FGF-23-Spiegel, was die renale Ausscheidung von Phosphat noch weiter erhöht und Nebenwirkungen auslösen kann, insbesondere eine Nephrokalzinose und einen Hyperparathyreoidismus [7]. Burosumab Die Schlüsselfunktion des FGF23 bei der Pathophysiologie der XLH konnte in Hyp-Mäusen gezeigt werden – einem murinen Homolog der XLH. Bei diesen Mäusen führte die Injektion eines Anti-FGF- 23-Antikörpers zur Normalisierung der Spiegel von Phosphat und 1,25-Dihydroxyvitamin D3 im Serum, gleichzeitig konnte der rachitistypische Phänotyp der Knochen verbessert werden [10]. Auf dieser Basis wurde der rekombinante, vollständig humanisierte monoklonale Antikörper Anti-FGF-23-IgG1 (KRN23) entwickelt, der später den Namen Burosumab erhielt. Erste Phase-II-Studien bei symptomatischen erwachsenen Patienten mit XLH konnten zeigen, dass Burosumab die Serumspiegel von Phosphat und 1,25-Dihydroxy vitamin D3 verbessert. Schwere Nebenwirkungen wurden dabei nicht beobach- 32

VON DER KINDHEIT BIS INS ERWACHSENENALTER Abbildung 1: Pathophysiologie der X-chromosomal-dominanten hyperphosphatämischen Rachitis (XLH) und therapeutische Intervention mit einem Anti-FGF-23-Antikörper (z. B. Burosumab) (Abb. modifiziert nach Emma F, Haffner D. Kidney International 2018 [im Druck]) Abk.: PHEX gene, phosphatregulierendes Endopeptidase-Homolog, X-chromosomal gebunden. tet [11]. Allerdings sind die Läsionen bei Erwachsenen oft degenerativ, so dass sich der Nutzen der Therapie hier nicht vollständig erkennen lässt. Kürzlich haben Carpenter et al. über die Ergebnisse einer offenen Phase-II-Studie berichtet, in der zwei unterschiedliche Dosierungen von Burosumab bei 52 pädiatrischen Patienten im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren untersucht wurden, die trotz konventioneller Behandlung eine aktive Rachitis aufwiesen [12]. Die Ergebnisse dieser Studie bei Kindern, die zweimal monatlich eine subkutane Injektion des Medikaments erhalten hatten, zeigten nach neun Monaten eine bemerkenswerte Verbesserung im Schweregrad der Rachitis. Diese Verbesserung war auch nach 15 Monaten noch nachzuweisen. Die Phosphatspiegel im Serum stiegen rasch an, bereits über einen Zeitraum von sechs Wochen. Mehr als die Hälfte der Patienten erreichte Spiegel im Normalbereich. Die Spiegel der alkalischen Phosphatase verbesserten sich kontinuierlich im Verlauf der Studiendauer. Die Veränderungen der Laborwerte korrelierten mit einer signifikanten Verbesserung der Schmerzen und der körperlichen Leistungsfähigkeit. Die Nebenwirkungen waren nur minimal und bezogen sich meist auf Hautreaktionen an der Einstichstelle. Aufgrund dieser positiven Studienergebnisse hat Burosumab kürzlich die Zulassung der Gesundheitsbehörden in der Europäischen Union und in den USA zur Behandlung von Patienten mit XLH erhalten. Allerdings sind noch mehrere wichtige Fragen offen. 1. In den klinischen Studien wurde die Dosis empirisch angepasst, um Serumphosphatspiegel am unteren Ende des Normalbereichs zu erreichen. Der optimale Zielkorridor für das Serumphosphat und die Häufigkeit der Injektionen bei Patienten, die ihren XLH-Phänotyp bereits korrigiert haben, sind jedoch noch nicht geklärt. 2. Angesichts der hohen Behandlungskosten und der unklaren Wirksamkeit und Sicherheit in der Daueranwendung sollten die spezifischen Patienten definiert werden, die mutmaßlich am meisten von der Behandlung profitieren werden. Diese sollten bevorzugt auf die Behandlung mit Burosumab eingestellt oder umgestellt werden. 3. Da die pädiatrische Studie nur bei Pa tienten bis zum Alter von zwölf Jahren durchgeführt wurde, müssen Wirksamkeit und Sicherheit von Burosumab bei Jugendlichen noch untersucht werden. CONFERENCES 33

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