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Leseprobe CONNEXI Nephrologie Ausgabe 6-2018

A NEW LIFE FOR SODIUM IN

A NEW LIFE FOR SODIUM IN NEPHROLOGY Proteasurie – der primäre Mechanismus der Natriumretention beim nephrotischen Syndrom Ferruh Artunc, Tübingen Das nephrotische Syndrom kann als Maximalausprägung einer proteinurischen Nierenerkrankung aufgefasst werden und weist als Leitsymptome Ödeme und schaumigen Urin auf. Die Ödeme finden sich typischerweise an den unteren Extremitäten sowie an den Augenlidern am Morgen nach der Nachtruhe. Bei manchen Pa tienten können sich Ergüsse in Pleura, Peritoneum und in schweren Fällen sogar im Perikard ausbilden. Die Ödeme beruhen auf einer renalen Natriumretention, bei der die tubuläre Natriumrückresorption bei zunächst erhaltener glomerulärer Filtrationsrate stark stimuliert ist. Aktuelle Arbeiten weisen der Proteasurie, d. h. der Ausscheidung von aktiven Serinproteasen im Urin, eine entscheidende Rolle zu, wie auf dem Symposium „A New Life for Sodium in Nephrology“ anlässlich des 53. Europäischen Kongresses für Nephrologie im Mai 2018 in Kopenhagen referiert wurde. CONFERENCES Die Genese der Ödementstehung beim nephrotischen Syndrom wird bis heute kontrovers diskutiert und durch zwei gegensätzliche Ansätze erklärt [1]. Gemäß der Underfill-Theorie führt der proteinurisch bedingte Albuminmangel zu einem Abfall des onkotischen Drucks im Plasma und zur Extravasation von interstitieller Flüssigkeit. Durch das kontrahierte Plasmavolumen wird das Renin- Angiotensin-Aldosteron-System aktiviert, und das führt zu einer sekundären Natriumretention. Dem gegenüber steht die Overfill-Theorie, die die Ödementstehung als Folge einer primären renalen Natriumretention durch die erkrankte Niere sieht. Ältere Studien an mikrodissezierten Tubuli nephrotischer Ratten hatten gezeigt, dass die Ödementstehung auf eine Aktivierung des epithelialen Natriumkanals (ENaC) im distalen Tubulus zurückgeführt werden kann [2]. Eine charakteristische Eigenschaft von ENaC ist dessen posttranslationale Aktivierbarkeit durch extrazelluläre Serinproteasen, die die Offenwahrscheinlichkeit durch Proteolyse der -Untereinheit und Herausschneiden eines inhibitorischen Trakts drastisch erhöhen [3]. In vitro konnten verschiedene Serinproteasen wie Prostasin, Trypsin, Kallikrein (sowohl Gewebe als auch Plasma-Kallikrein), Elastase oder Plasmin, ENaC-Ströme durch Proteolyse stimulieren [4]. Im Jahre 2009 wurde von Svenningsen et al. vorgeschlagen, dass die Serinprotease Plasmin den ENaC bei nephrotischem Syndrom aktivieren und so eine Natriumretention bedingen könnte [5]. Die Autoren fanden, dass beim nephrotischen Syndrom Plasminogen aberrant filtriert wird und im Tubuluslumen durch die dort exprimierte Urokinase zu aktivem Plasmin umgesetzt wird. In vitro aktivierte der Urin nephrotischer Ratten ENaC-Ströme durch proteolytische Aktivierung der -Untereinheit. Mit diesem Mechanismus wurde ein neuartiger Erklärungsansatz für die Ödementstehung im Sinne der Overfill-Theorie geschaffen. Allerdings lieferten die Autoren keinen definitiven Beweis durch beispielsweise ein Knock-out-Modell, so dass unklar bleibt, inwieweit dieser Mechanismus tatsächlich in vivo eine entscheidende Rolle spielt. 8

A NEW LIFE FOR SODIUM IN NEPHROLOGY Entscheidende Rolle der Proteasurie bei der Ödementstehung in vivo Sollte der ENaC bei nephrotischem Syndrom proteolytisch durch Plasmin aktiviert werden, müsste eine pharmakologische Hemmung der Urin-Plasmin-Aktivität die Ödementstehung verhindern. Um diesen Ansatz unserer Arbeitsgruppe zu überprüfen, behandelten wir Wildtyp-Mäuse, bei denen ein experimentelles nephrotisches Syndrom ausgelöst wurde, mit dem Serinprotease-Inhibitor Aprotinin, der unter anderem ein potenter Inhibitor von Plasmin ist [6]. Im Urin von nephrotischen Mäusen fand sich eine aprotininsensitive Serinproteaseaktivität, die parallel zur Proteinurie verlief. Die Behandlung von nephrotischen Mäusen mit Aprotinin unterdrückte die Urin-Serinprotease-Aktivität, ohne dass die Proteinurie gesenkt wurde und verhinderte die Natriumretention und Ödementstehung. Obwohl Aprotinin kein Diuretikum ist und keine direkte inhibitorische Wirkung auf ENaC hatte, war der Effekt genauso stark ausgeprägt wie derjenige des ENaC-Blockers Amilorid. Damit hat diese Studie gezeigt, dass die Proteasurie, d. h. Serinprotease Zymogen aktiv Tubuluslumen Intrazellulärraum ENaC überaktiver ENaC Abbildung 1: ENaC-Überaktivierung durch Proteasurie beim nephrotischen Syndrom (Abb.: A. Hecht). CONFERENCES 9

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