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Leseprobe CONNEXI Nephrologie Dialyse Transplantation Ausgabe 2-2019

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DILEMMA ORGANMANGEL

DILEMMA ORGANMANGEL Transplantation marginaler Organe? Daniel Seehofer, Leipzig CONFERENCES In Deutschland und vielen anderen Ländern hat sich eine zunehmende Diskrepanz zwischen dem Angebot und dem Bedarf an Spenderorganen entwickelt. Daraus resultiert im Falle der Nierentransplantation eine immer längere Wartezeit, die bei regulärer Allokation, z. B. in der Blutgruppe 0, inzwischen mehr als zehn Jahre betragen kann. Neben der Lebendspende stellt die Verwendung sogenannter „marginaler Organe“ eine Möglichkeit dar, die Anzahl an Nierentransplantationen zu erhöhen. Erweiterte Spenderkriterien Marginale Organe werden im Eurotransplant- Bereich durch die „erweiterten Spenderkriterien“ (ECD, expanded criteria donor) definiert, die sich vor allem auf das Spenderalter und renale bzw. vaskuläre Vorerkrankungen des Organspenders beziehen (Tabelle 1). Daneben existieren noch viele andere Faktoren (Diabetes, Proteinurie, Reanimation des Spenders, Infektionserkrankungen etc.), die allein oder in ihrer Kombination die Eignung des Transplantats einschränken oder unter bestimmten Bedingungen einschränken können. Mögliche Folgen bei Transplantation von marginalen Organen können eine verzögerte Transplantatfunktion (DGF), eine primäre Nichtfunktion (PNF) und/oder eine reduziertes Transplantatüberleben sein. Trotzdem können auch marginale Organe mit guten Langzeitergebnissen transplantiert werden, wenn dies unter optimalen Bedingungen geschieht. Betrachtet man das Spenderalter, als einer der Hauptfaktoren, sieht man, dass das mediane Spenderalter bei Leichennieren im Eurotransplant- Bereich von 1990 bis 2009 kontinuierlich angestiegen ist, von anfangs 35 Jahren auf fast 54 Jahre [1]. Zwischen 2009 und 2017 findet sich dagegen kein weiterer Anstieg des Spenderalters mehr. Eine identische Entwicklung ist auch für das Spenderalter bei der Lebertransplantation zu beobachten. Da seit 2009 der Organmangel eher weiter zugenommen hat, legt diese Stagnation nahe, dass zum heutigen Zeitpunkt die Zahlen im Bereich der Leber- und Nierentransplantation durch eine Erweiterung der Spenderkriterien nicht mehr wesentlich gesteigert werden können, sofern keine neuen Möglichkeiten der Organkonservierung oder Präkonditionierung entwickelt oder etabliert werden. 28

DILEMMA ORGANMANGEL Tabelle 1: Definition von erweiterten Spenderkriterien der Niere im Eurotransplant-Bereich. Erweiterte Spenderkriterien (Niere) Spenderalter ≥60 Jahre oder Spenderalter 50–59 Jahre und zwei der folgenden Faktoren: • arterieller Hypertonus des Spenders • Kreatinin des Spenders ≥132 µmol/l bzw. ≥1,5 mg/dl • ischämisch-hypoxischer Hirnschaden als Todesursache des Spenders Empfängerselektion Die Erfahrungen der Nierentransplantation im Laufe der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Organe mit erweiterten Spenderkriterien je nach Empfängergruppe und Allokationsstrategie entweder gleichwertige oder aber signifikant schlechtere Langzeitergebnisse mit sich bringen können. Im Eurotransplant-Bereich wird diesen Ansprüchen durch das Eurotransplant Senior Program (ESP) bereits seit vielen Jahren Rechnung getragen. In diesem Programm werden Spendernieren von Leichenspendern über 65 Jahren an Empfänger über 65 Jahre ohne Beachtung der HLA-Merkmale und bevorzugt regional alloziert. Das Programm zielt dabei auf eine möglichst kurze Ischämiezeit und eine möglichst zeitnahe Transplantation der alten Patienten ab [2]. Damit wird ein Teil (>65 Jahre) der marginalen Organe optimal verwendet, für die restlichen Organspender (z. B. 60–65 Jahre mit ECD) existieren dagegen keine systematischen Allokationsstrategien. Die Tatsache, dass eine möglichst kurze kalte Ischämiezeit ein wesentlicher Faktor für die Funktionsraten marginaler Organe ist, ist aus vielen multifaktoriellen Analysen bekannt [3, 4]. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass auch eine warme Ischämiezeit (Anastomosenzeit) von mehr als 20 Minuten eine besonders wichtige Rolle spielt. In dieser Auswertung konnten bei einer kalten Ischämiezeit von weniger als 800 Minuten und einer Anastomosenzeit von ≤20 Minuten bei Transplantation marginaler Organe ähnliche Ergebnisse erreicht werden wie bei Transplantation von Standard organen [5]. Eine detaillierte niederländische Auswertung von mehr als 3.000 Nierentransplantationen konnte bestätigen, dass Organe mit erweiterten Spenderkriterien insgesamt ein signifikant geringeres Transplantatüberleben aufwiesen als Organe ohne erweiterte Spenderkriterien. Besonders ausgeprägt war dieser Unterschied erwartungsgemäß bei jüngeren Empfängern (

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