connexiplus NUTRITION einfachen Kohlenhydraten, hochkalorischen verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurstwaren, gesättigten Fetten, Süßigkeiten, gesüßten Milchprodukten, gesüßtem Müsli etc., hin zu mehr Vollkornprodukten, Fisch, pflanzlichen Ölen und vor allem Gemüse und Obst. Übergewichtige haben meist auch keine optimale Mikronährstoffzufuhr, d. h. es sind häufig zu wenige Vitamine und Spurenelemente und auch Ballaststoffe im Essen enthalten. Es gibt nicht die eine Diät, die „die ganze Wahrheit“ für sich beanspruchen kann. Man muss immer schauen, was mit einem bestimmten Patienten am besten funktioniert. Ist nach entsprechender Diagnose eine Ernährungsumstellung zur Reduktion des Körpergewichts aussichtsreich, sollte der Arzt prüfen, ob er die Behandlung allein übernehmen kann oder er sich dazu weitere Partner ins Boot holen sollte. In der täglichen Praxisroutine werden Ärzte kaum die Zeit haben, mit dem Betreffenden ein Ernährungskonzept zu entwickeln und sie bspw. in ihrem Einkaufs- und Essverhalten zu trainieren. Die Pa tien ten müssen dafür zu einem Spezialisten, einem Ernährungstherapeuten, einem Ernährungsmediziner oder, wenn jemand wirklich unter massiver Adipositas leidet, in eine Spezialklinik. Viele Krankenkassen übernehmen dafür auch einen Teil oder sogar gänzlich die Kosten. Ein neues Ernährungskonzept umzusetzen ist ja für viele Menschen nicht so leicht. Welche Argumente sollte man sich als beratender Arzt zurechtlegen, um jemanden davon zu überzeugen, dass es wichtig ist abzunehmen? Der behandelnde Arzt sollte immer wieder deutlich auf die Krankheitsrisiken und die damit verbundenen möglichen Folgen, wie z. B. Diabetes, Schlaganfälle und Herzinfarkte hinweisen. Eines der Argumente ist, dass wir ganz klare Daten haben, dass eine Gewichtszunahme mit einer erhöhten Diabetesprävalenz korreliert. Es gibt auch Interventionsstudien, die zeigen, dass die Körpergewichtsreduktionen mit einer anschließenden ausgewogenen Ernährung und Bewegung dazu beitragen können, dass der Patient weniger Medikamente braucht und teilweise sogar Remissionen möglich sind [1]. Dem Patienten sollte bewusst gemacht werden, dass er ganz aktiv durch die Gewichtsreduktion das Risiko für Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren kann, weil unter anderem das LDL- Cholesterin und die Triglyceride sinken. Das alles ist vielleicht schwer zu vermitteln und besonders für jüngere Menschen nicht besonders attraktiv, um sie zum Abnehmen zu motivieren, weil die Gefahren nicht akut bedrohlich sind. Was in 20 oder mehr Jahren kommt, macht den Leuten nicht so große Angst. Dagegen schon in jungen Jahren auftretende Bewegungseinschränkungen, Gelenkschmerzen, Kurzatmigkeit, sich nicht fit fühlen und vielleicht unter einem Stigma zu leiden, sehe ich als die vielleicht überzeugenderen Argumente. Da geht es um eine gute Figur, Fitness, bessere Beweglichkeit, mehr Selbstwertgefühl in der Öffentlichkeit, womit das gesamte Leben leichter fällt. Mit der Verbesserung der Lebensqualität kann man bei jungen Leuten vermutlich eher punkten. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Ernährungsverbesserung ist, dass es nicht nur um Herz-Kreislaufund Stoffwechselerkrankungen geht. Eine vollwertige Ernährung hilft bei allem, in unterschiedlichem Maße, aber es betrifft z. B. auch Krebserkrankungen und viele andere. Es geht also um eine ganzheitliche Strategie, den Lebensstil an die Erfordernisse der Erkrankungsprävention anzupassen. 36
ERKRANKUNGSRISIKEN UND ERNÄHRUNG Es gibt ja zuweilen die Annahme, bei dem einen oder anderen sei die Fettleibigkeit „genetisch bedingt“. Gibt es von Ernährung und Bewegung unabhängige Aspekte, die Übergewicht fördern und nicht beeinflussbar sind? Und wenn ja, was ist diesen Betroffenen zu raten? Wir wissen heute, dass bestimmte Mutationen oder Polymorphismen dazu führen, dass eine Person zu Übergewicht neigt. Das sind Mutationen, die fördern beispielsweise die Speicherung von Fett oder betreffen die Fettverbrennung oder das Sättigungsempfinden. Solche genetischen Ursachen kann man ermitteln. Aber auch diese gehen bei Übergewicht natürlich immer einher mit einem falschen Essverhalten; letztendlich bedeutet das nur, wie oft und wie viel man isst (oder trinkt) wirkt sich bei jedem Menschen etwas unterschiedlich auf das Körpergewicht aus. Die Patienten sollten deshalb wissen, es gibt Lebensmittel, die das Sättigungsverhalten fördern, dazu gehören vor allem Ballaststoffe, aber auch Protein. Einfache Kohlenhydrate haben dagegen eine schlechte Sättigungswirkung, die Folge ist eine hohe Insulinausschüttung und kurze Zeit später wieder ein Hungergefühl. Ein weiteres Beispiel ist Alkohol. Alkoholische Getränke fördern den Appetit. Die Botschaft ist, es gibt eine genetische Disposition, aber das ist keine Entschuldigung im Sinne von „Ich kann ja nichts für mein Übergewicht“, weil genetische Disposition nicht heißt, dass man am Übergewicht nichts ändern kann. Eine im British Medical Journal veröffentlichte Studie [2] hat sogar gezeigt, dass insbesondere diejenigen von einer Ernährungsumstellung profitieren, deren genetische Veranlagung zur Fettleibigkeit besonders ausgeprägt war. Personen mit einem hohen Risiko für Übergewicht gelang es trotz ungünstigerer Ausgangsbedingungen besser, das Körpergewicht bei hoher Ernährungsqualität über zwei Jahrzehnte Prof. Dr. Stefan Lorkowski stefan.lorkowski@uni-jena.de Stefan Lorkowski ist Professor für Biochemie und Physiologie der Ernährung am Institut für Ernährungswissenschaften der Friedrich- Schiller-Universität Jena und Koordinator des Kompetenzclusters für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) Halle-Jena- Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. molekularen Grundlagen der Arteriosklerose und ihrer Folgen (u. a. Herzinfarkte und Schlaganfälle), der Beitrag der Ernährung zu Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes, Fett- und Proteinzufuhr sowie Prävention ausgewählter ernährungs(mit)bedingter Krankheiten, Ernährungsempfehlungen und -bildung. Foto: FSU Jena connexiplus NUTRITION 37
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