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Leseprobe CONNEXIPLUS 2021-1 COVID-19 und Impfstoffe

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Fachmagazin zu COVID-19

COVID-19 UND ZNS Neurologie in der Pandemie Seit gut einem Jahr stellt die weltweite Corona-Pandemie Mediziner aller Fachrichtungen vor besondere Herausforderungen. COVID-19 hat sich mittlerweile als systemische Erkrankung erwiesen. Inzwischen ist auch gut belegt, dass das SARS-CoV-2-Virus auch und vor allem das zentrale und periphere Nervensystem betreffen kann und neurologische Langzeitfolgen die Patienten besonders belasten. Andererseits erkranken auch Patienten mit chronischen neurologischen Erkrankungen an COVID-19. Welche Folgen kann das haben, wie ist mit der Medikation umzugehen? Sollten sie geimpft werden? Es gibt zahlreiche Fallserien und Erhebungen zu neurologischen Symptomen und Folgeerscheinungen während und nach einer COVID- 19-Erkrankung. Um solche bei schwerer erkrankten Personen nicht zu übersehen, ist neurologisches Fachwissen in der Pandemie gefordert. COVID-19-Patienten, so die Expertenempfehlung der DGN, sollten immer neurologisch mitbetreut werden. connexiplus Update der Leitlinie Unter Federführung von Prof. Dr. Peter Berlit, Berlin, wurde die Leitlinie „Neurologische Manifestationen bei COVID-19“ (AWMF-Registernr. 030/144, https://dgn.org/leitlinien/neurologische-manifestationen-bei-covid-19/) aktualisiert. Sie wird als „Living Guideline“ bei der AWMF geführt und mindestens einmal im Jahr aktualisiert, bei Bedarf auch eher. Ziel der Leitlinie ist es, auf die Diagnostik und Therapie von neurologischen Erkrankungen bei COVID-19 aufmerksam zu machen. Sie richtet sich an Neurologen, Intensivmediziner, Pneumologen und dient der Information für weitere Ärzte, die Patienten mit COVID-19 betreuen. Neurologische Beteiligung bei fast 60 % SARS-CoV-2-Infizierter Bereits während der Akutphase geht COVID-19 häufig mit neurologischen Symptomen einher. Am häufigsten sind das chronische Erschöpfungssyndrom, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme und Schlafstörungen, die in vielen Fällen über mehrere Wochen und Monate anhalten. Darüber hinaus kommen Enzephalopathien bei COVID-19 oft vor, insbesondere bei schweren Verläufen. Ein Delir ist vor allem bei älteren Personen ein unabhängiges Symptom von COVID-19. Auch lebensbedrohliche neurologische Komplikationen können während oder direkt nach einer COVID-19-Erkrankung auftreten, wie z. B. Schlaganfälle oder das Guillain-Barré-Syndrom. Aktuelle deutsche Daten einer prospektiven Erhebung [1], in der 102 SARS-CoV-2-positive Patienten an der Universitätsklinik Essen klinischneurologisch untersucht wurden, zeigen, dass es bei 59,8 % der hospitalisierten COVID-19-Patienten zu einer neurologischen Beteiligung bei einer COVID-19-Erkrankung kam. 24,5 % litten unter unspezifischen neurologischen Symptomen wie allgemeine Schwäche, kognitive Funktionseinschränkungen oder Delir. 23,5 % hatten schwere neurologische Begleiterkrankungen, die mit einer erhöhten Mortalität einhergingen. Bei der Hälfte handelte es sich dabei um zerebrale Ischämien. 83,3 % der Betroffenen mit schweren neurologischen Begleiterscheinungen wiesen neurologische Vorerkrankungen auf. Neuro-COVID – eigenständige Entität? Nicht alle COVID-19-Patienten entwickeln neurologische Begleit- und Folgeerkrankungen im Sinne von „Neuro-COVID“. Eine mögliche Erklärung, warum das so ist, lieferte ein neurologisches Kooperationsprojekt der Universitäten Münster und 32

Duisburg-Essen. In ihrer im renommierten Journal „Immunity“ publizierten Arbeit [2] beschrieb die Arbeitsgruppe ein spezifisches Immunzellprofil im Nervenwasser von „Neuro-COVID“-Patienten. Die weiteren Beobachtungen „deuten auf eine verminderte Immunantwort im Nervensystem auf SARS- CoV-2 hin und dass neurologische Symptome und Folgeerkrankungen somit keine reinen ,Nebenerscheinungen‘ einer schweren pulmonalen COVID- 19-Erkrankung, sondern eine eigenständige Entität darstellen könnten”, erklärt PD Dr. Gerd Meyer zu Hörste, federführender Autor der Studie. Das könne ein Erklärungsansatz für neurologische Beschwerden von ansonsten nahezu asymptomatischen COVID-19-Patienten sein, ergänzt Professor Berlit. Die vorliegenden Ergebnisse liefern eine Rationale dafür, Studien aufzulegen, um Veränderungen im Nervenwasser longitudinal zu beobachten und prädiktive Marker für eine neurologische Beteiligung zu identifizieren. „Möglicherweise lässt sich dann nach einer Nervenwasseranalyse nach Infektion mit SARS-CoV-2 schon vorhersagen, ob der Betroffene neurologische Symptome entwickeln wird”, erklärt Univ.-Prof. Dr. Heinz Wiendl, Direktor der Klinik für Neurologie Münster. Neurologische Langzeitfolgen Schon im Sommer 2020 gaben Studien erste Hinweise auf eine Persistenz der Symptome nach akuter SARS-CoV-2-Infektion [3]. Inzwischen ist deutlich, dass es insbesondere neurologische Spätfolgen sind, mit denen die Betroffenen zu kämpfen haben: Eine niederländisch-belgische Studie [4] wertete drei Monate nach Krankheitsbeginn die anhaltenden Symptome von 2.113 COVID-19-Pa tien ten aus (von denen 112 stationär behandelt worden waren). Während der Erkrankung litten 95 % unter Fatigue, drei Monate danach noch 87 %. Damit war die Fatigue die häufigste Komplikation und Langzeitfolge, sogar häufiger als Dyspnoe. In einer britischen prospektiven Kohortenstudie [5] wurden 163 COVID-19-Patienten im Median 83 Tage nachverfolgt. Auch hier waren die häufigsten Langzeitfolgen nach einem zwölfwöchigen Follow-up Kurzatmigkeit und Fatigue (bei je 39 % der Patienten). Ebenfalls häufig waren Schlafstörungen (24 %) und Schmerzen (ca. 20 %). Bemerkenswert ist, dass die Symptompersistenz auch Patienten mit milden COVID-19-Verläufen betraf. Besonders hartnäckig und lang anhaltend scheinen neurologische Symptome bei COVID-19-Patienten zu sein, die einen schweren Verlauf der Infektionskrankheit hatten. Deutliche Einbußen der Lebensqualität werden beschrieben. Eine französische Studie [6] erfasste die Lebensqualität von COVID-19-Patienten mit schweren, intensivpflichtigen Krankheitsverläufen. Die dokumentierten 19 Patienten gaben nach drei Monaten alle einen deutlichen Lebensqualitätsverlust an: 89 % klagten über Schmerzen, 47 % über eine eingeschränkte Mobilität durch Muskelschwäche und 42 % über Angstzustände und Depression. Bei vielen Betroffenen verbessern sich die neurologischen Symptome zwar im Laufe der Zeit, aber es gibt auch Patienten, die bereits in der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr 2020 erkrankten und bis heute nicht beschwerdefrei sind. Um die Ursachen der Symptome und Spätfolgen neurologischer Symptome zu erforschen, wurde eine Arbeitsgruppe Neurologie im Nationalen Pandemie Kohorten Netz (NAPKON) etabliert. Das Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. Eine von drei Säulen des NAPKON-Projekts ist eine populationsbasierte Plattform. Dort werden in geografisch definierten Gebieten alle Patienten mit überstandener SARS-CoV-2-Infektion schweregradunabhängig und populationsrepräsentativ identifiziert und in ein diagnostisches Langzeitprogramm eingeladen. connexiplus 33

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