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Leseprobe CONNEXI 2020-05 SCHMERZ Palliativmedizin

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PALLIATIVVERSORGUNG

PALLIATIVVERSORGUNG beinhaltet neben tumorspezifischen Themen der Palliativmedizin auch Themen, die in der palliativen Geriatrie Bedeutung haben, wie Kommunikation, Symptomkontrolle in der Sterbephase, Versorgungsstrukturen in der Hospizarbeit und Palliativmedizin, die Therapiezielfindung und Kriterien der Entscheidungsfindung, schlafbezogene Erkrankungen und nächtliche Unruhe, Linderung von Angst und Umgang mit Todeswünschen [3]. Symptome bei geriatrischen Palliativpatienten CONFERENCES Welche Symptome spielen nun in der Palliativbetreuung geriatrischer Patienten eine besondere Rolle? Neben Schmerzen, die je nach Studiengruppe zwischen 40 % und 86 % der Betroffenen beklagen, tritt Luftnot bei 11–75 % auf. Ernährungsprobleme finden sich bei 28–70 % der betagten Palliativpatienten. Für 29–47 % der Patienten wird ein Delir verzeichnet. Nahezu 60 % der Betroffenen leiden unter Harn- oder Stuhlinkontinenz. Darüber hinaus spielen Atemstörungen, Schwindel, Sturzsyndrom und Schlafstörungen eine Rolle. Schmerztherapie im Alter Besondere Defizite zeigen sich in der algesiologischen Betreuung geriatrischer Patienten. In einer Studie von Wulff, Kalinowski und Dräger aus dem Jahr 2010 zeigte sich, dass 59 % der Bewohner von Pflegeheimen in Berlin und Brandenburg mit einer gesicherten Schmerzdiagnose an unbehandelten Schmerzen litten [4]. Bei geriatrischen Patienten überwiegen chronische gegenüber den akuten Schmerzursachen. Neben degenerativen Knochenund Gelenkerkrankungen spielen Gefäßleiden als schmerzauslösende Ursachen eine besondere Rolle. Die Prinzipien der Ursachenabklärung, Anamneseerhebung, Ermittlung der Schmerzursachen, des Dr. med. Barbara Schubert schubert@josephstift-dresden.de Schmerzcharakters, lindernder und verstärkender Faktoren bedürfen der Berücksichtigung altersspezifischer Besonderheiten. Neben kognitiven Beeinträchtigungen beeinflussen Kommunikationsstörungen, neurologische und psychiatrische Störungen die Diagnostik und Therapiebewertungen. Dazu haben sich verschiedene Instrumente zur Krankenbeobachtung und Schmerzermittlung wie etwa der BESD, BISAD oder DOLO-PLUS-2-Short bewährt. Für die medikamentöse Schmerztherapie ergeben sich altersspezifische Besonderheiten: Die Indikation zum mittel- oder längerfristigen Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), auch der Coxibe, sollte streng gestellt werden. Patienten mit Niereninsuffizienz und unter Diuretikatherapie zeigen auch unter kurzzeitigem Einsatz von NSAR eine Verschlechterung der Nierenfunktion. Für viele geriatrische Schmerzpatienten kann Metamizol unter den Nichtopioiden das Mittel der Wahl sein. Opioide zeigen delirogenes Potenzial. Für den differentialtherapeutischen Einsatz gelten die gleichen Gründe wie in jüngerem Lebensalter. 10

PALLIATIVVERSORGUNG So ergibt sich für viele geriatrische Patienten eine gute Rationale für den Einsatz von Hydromorphon oder Buprenorphin zur Behandlung opiatsensibler Schmerzen. Die Titration unter Start mit der geringstmöglichen Dosis und die sehr langsame Dosissteigerung sind Grundprinzipien in der Opiattherapie bei älteren Patienten. Neuropathische Schmerzen werden im geriatrischen Patientengut häufig gesehen. Ko-Analgetika kommen zum Einsatz, jedoch gibt es kaum belastbare Daten zu Patienten jenseits des 80. Lebensjahrs. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen in der Schmerztherapie Unerwünschte Arzneimittelwirkungen treten in diesem Patientengut häufiger als bei jüngeren Patienten auf (Schwindel, Vigilanzminderung, Ödeme, Blutdruckschwankungen etc.). Eine insgesamt seltene, gefürchtete und wahrscheinlich oft nicht diagnostizierte Arzneimittelinteraktion ist das Serotonin-Syndrom. Es entsteht durch Verstärkung Serotonin-agonistischer Wirkungen in Folge Interaktion von einzelnen Opioiden, Antidepressiva und MAO-Hemmern. Geriatrische Patienten zeigen nicht selten das Zusammentreffen von Krankheitsbildern, die diese Medikation erforderlich machen können. Ein medikamentös induzierter Serotoninüberschuss führt zu Tachykardie und Hypertonie, Schüttelfrost, Schwitzen, Fieber und Hyperthermie, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Pupillenerweiterung, Myoklonie, Muskelrigidität, Hyperreflexie und Ataxie, Agitation, Delir, Halluzinationen, Krampfanfällen, Rhabdomyolyse, Nierenfunktionsstörungen und metabolischer Azidose. Neben der Beendigung der auslösenden Medikamente sind eine symptomatische Therapie und der Einsatz von Setronen angezeigt. Insbesondere bei geriatrischen Patienten ist die Verstärkung unerwünschter Nebenwirkungen problematisch. So wird die sedierende Wirkung der Opioide durch Alkohol, Benzodiazepine, Barbiturate, dämpfende Antidepressiva, Neuroleptika, Antiepileptika und Antihistaminika verstärkt. Die opiatassoziierte Obstipation wird auch durch Anticholinergika, Betablocker, Diuretika, Antidepressiva, Antazida, Steroide und Anticholinergika verstärkt. Unter der Medikation mit Opioiden wird deren emetogene Potenz beispielsweise durch Digitalis intensiviert. Und ebenso wie Methadon können Amiodaron, Gyrasehemmer, Makrolide, Domperidon und Haloperidol zu einer QT-Zeit-Verlängerung führen [5]. Referenzen 1. Weltgesundheitsorganisation, Definition palliative care, 2002. https://www.who.int/cancer/palliative/definition/ en [Abruf 10.09.2020]. 2. https://www.kbv.de/media/sp/PraxisWissen_Palliativversorgung.pdf [Abruf 08.09.2020]. 3. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Palliativmedizin/Version_2/LL_Palliativmedizin_2.1_Langversion.pdf [Abruf 16.09.2020]. 4. Kölzsch M, Könner F, Kalinowski S et al. Qualität und Angemessenheit der Schmerzmedikation – Instrument zur Einschätzung bei Pflegeheimbewohnern. Schmerz 2013; 27(5): 497–505. 5. Wehling, Martin, Burkhardt, Heinrich (Hrsg.). Arzneitherapie für Ältere, 3. Auflage, Springer 2019. Dr. med. Barbara Schubert Klinik für Innere Medizin Krankenhaus St. Joseph-Stift Dresden Wintergartenstraße 15/17, 01307 Dresden CONFERENCES 11

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