ONKOLOGIE-SYMPOSIUM Analkarzinom: Die neue Leitlinie Mark Oette, Köln © lev radin/Alamy Stock Fot Im Jahr 2020 wurde die erste AWMF-S3-Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Analkarzinomen unter Beteiligung vieler Fachgesellschaften, u. a. der Deutschen AIDS-Gesellschaft, erarbeitet. Sie gibt Empfehlungen zur Diagnostik, zu Therapieoptionen und zur Palliativversorgung. Besonderes Augenmerk wurde auf die Erarbeitung der Evidenzlevel gelegt. CONFERENCES Das Analkarzinom ist in der Gesamtbevölkerung ungleich verteilt; es existieren besondere Gruppen mit deutlich erhöhtem Krankheits- oder Mortalitätsrisiko. Zudem besteht beim Analkarzinom die Besonderheit, dass Ärzte verschiedenster Fachgruppen in die Versorgung involviert sind. Mit der neuen AWMF-Leitlinie zum Analkarzinom wird daher eine wichtige Lücke geschlossen. Die Leitlinie wurde von Vertretern aus 26 Fachgesellschaften und Patientenverbänden erarbeitet und folgt den Standards des Niveaus S3. Besonderes Augenmerk wurde auf die Erarbeitung der Evidenzlevel gelegt, deren klinische Relevanz zudem durch Befragungen von betroffenen Patienten genauer charakterisiert wurde. Die Einschätzung des endpunktbezogenen Evidenzlevels wurde nach dem GRADE-Schema umgesetzt (von sehr hohem [ ] bis sehr geringem [ ] Vertrauen in den jeweils betrachteten Effektschätzer). Das Analkarzinom – Häufigkeit und Risiken Mit 5 % aller malignen Neuerkrankungen und 1−2/100.000 Einwohner und Jahr handelt es sich beim Plattenepithelkarzinom des Analkanals um einen seltenen Tumor. Die Tumorgenese erfolgt meist über eine persistierende Infektion mit Hochrisiko-Typen des humanen Papillomavirus (v. a. HPV 16, 18, 31, 33) über die Dysplasie hin zur malignen 22
Entartung (HPV-Prävalenz bei HIV-Infizierten bis 100 %). Unterteilt wird in Analrandkarzinome und Analkanalkarzinome, wobei letztere deutlich häufiger auftreten. In den letzten 30 Jahren hat sich die Inzidenz fast verdreifacht, sowohl in den USA als auch in Deutschland kann eine jährliche Steigerung der Inzidenzrate bis 2,9 % festgestellt werden. Aufgrund der HPV-Genese der Erkrankung sind die Zahl der Sexualpartner und rezeptiver Analverkehr wichtige Risikofaktoren. Daher weisen Männer, die Sex mit Männern haben, ein entsprechendes Risiko auf. Frauen mit HPV-assoziierten Läsionen von Zervix, Vulva oder Vagina entwickeln ebenfalls deutlich häufiger ein Analkarzinom (bis 23-fach). Das Vorliegen eines Immundefektes ist eine wichtige Voraussetzung für ein Karzinom. Daher sind ältere Patienten, Patienten mit immunsuppressiver Therapie und HIV-Infizierte besonders betroffen. Weitere prädisponierende Faktoren sind Nikotinkonsum und analer sowie perianaler M. Crohn. Analkarzinome entwickeln sich in der Regel aus analen intraepithelialen Neoplasien (AIN) als Krebsvorstufen (AIN 1−3). Für HIV-infizierte wurde gezeigt, dass die Fünf-Jahres-Inzidenz in einem Areal einer AIN knapp 6 % erreicht. Diese Patientengruppe hat insgesamt ein mehr als 100-faches Risiko der Manifestation eines Analkarzinoms verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Insgesamt liegen die Ein-Jahres-Überlebensrate bei 81 % und die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei 56 %. Impfung und Screening Aufgrund der Ätiologie der HPV-Infektion ist die prophylaktische Impfung nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut für alle Kinder und Jugendlichen im Alter von 9−14 Jahren empfohlen. Versäumte Impfungen sollten spätestens bis zum Alter von 17 Jahren nachgeholt werden, damit Immunität vor dem ersten Sexualkontakt gegeben ist. Empfehlungen zu späteren Impfungen finden sich beispielsweise in den europäischen EACS-Leitlinien zur HIV-Infektion. Eine therapeutische Impfung nach Diagnose des Analkarzinoms ist nicht empfohlen. Patienten mit HIV-Infektion und die oben genannten Risikogruppen sollten Screening- Untersuchungen für das Analkarzinom bzw. seiner Präkanzerosen alle 1−3 Jahre erhalten. Dies gilt auch deshalb, da die Erkrankung überwiegend nur unspezifische Beschwerden verursacht und häufig als Hämorrhoiden fehlinterpretiert wird. Für HIV- Infizierte existiert eine entsprechende Leitlinie. Diagnostik Prof. Dr. med. Mark Oette moette@severinskloesterchen.de Bei Verdacht auf das Vorliegen eines Analkarzinoms soll eine körperliche Untersuchung mit Fokus auf die Leistenlymphknoten und die Analregion durchgeführt werden. Dies wird durch rektale Austastung, Proktoskopie, ggf. Rektoskopie, ggf. analer Endosonografie und ggf. Kolposkopie ergänzt. Essen- CONFERENCES 23
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