CONFERENCES gehen. Bis dahin werden wir noch viel lernen. Und ob dann jeder frei wählen kann, welchen Impfstoff er bekommen möchte, ist auch nicht klar. Also, wir müssen hier zuwarten und Geduld haben. Wenn es irgendwann von allen Impfstoffen ausreichend gibt, wird es Empfehlungen wie z. B. von der STIKO geben, welcher für spezielle Gruppen besonders geeignet oder auch weniger geeignet ist. Diesen Empfehlungen sollte man dann folgen. Das Entscheidende ist, dass mit der Impfung ein schwerer Verlauf einer COVID-19 Infektion verhindert wird. Und dies wird mit allen derzeit verfügbaren Impfstoffen gleichermaßen erreicht. Wie bewerten Sie die Problematik bzgl. des AstraZeneca-Impfstoffes, dessen Anwendung sogar kurzzeitig ausgesetzt war? Es hatte ja mehrere Berichte gegeben, dass im zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen Thrombosen der Hirnvenen auftraten. Nachdem dann schon in mehreren anderen europäischen Ländern deswegen die Impfungen mit diesem Impfstoff ausgesetzt wurden, hatte die Bundesregierung am 15.01.2021 gleichermaßen entschieden. Dies war eine Vorsichtsmaßnahme. Einige Wissenschaftler hatten auch darauf hingewiesen, dass die beschriebenen thromboembolischen Ereignisse nach Impfung nicht häufiger aufgetreten sind als dies bei einem ungeimpften Normalkollektiv zu erwarten wäre. Inzwischen hat die europäische Zulassungsbehörde EMA das Auftreten dieser Nebenwirkungen neu bewertet bzw. mögliche Auswirkungen auf die Zulassung des Impfstoffes geprüft und die Impfung unter Berücksichtigung individueller Gegebenheiten bei der zu impfenden Person wieder empfohlen. Dennoch bleibt die Frage im Raum, ob nach der Impfung gehäuft thromboembolische Komplikationen auftreten, die auf die Impfung zurückzuführen sind. Das muss weiterhin sorgfältig beobachtet werden. Hält der Schutz nach zwei Impfdosen dann ein Leben lang? Zunächst gilt, dass auch nach zwei Impfungen kein 100%iger Impfschutz besteht. Wenn ein Impfschutz gegen SARS-CoV-2 besteht, ist davon auszugehen, dass dieser mit der Zeit langsam schwächer wird, wie dies auch für andere Impfungen bekannt ist. Es kann gut sein, dass nach einem oder auch erst nach mehreren Jahren Nachimpfungen erforderlich sind. Es gibt auch Überlegungen dahingehend, dass diese Nachimpfungen dann mit einem anderen Impfstoff erfolgen sollen. Wie sich dies entwickeln wird, ist heute noch nicht absehbar. Derzeit wird über verschiedene Öffnungsstrategien nachgedacht; die beiden Hauptsäulen sollen neben den AHA-Regeln das Impfen und Testen sein. Wie müsste eine Teststrategie aussehen, damit sie den erhofften Effekt für die schrittweise Normalisierung des öffentlichen Lebens hat? Entscheidender Vorteil der Antigen-Tests ist, dass die Ergebnisse innerhalb kurzer Zeit vorliegen. Wenn mehrere Personen einen aktuell durchgeführten negativen Test haben, können sie sich theoretisch ohne wesentliches Infektionsrisiko treffen. Wichtig dabei ist zu wissen, dass ein Test immer nur die aktuelle Situation zeigt. Wenn ein Test morgens negativ war, kann er abends schon positiv sein. Für einige Einsatzgebiete müssten Tests eigentlich täglich durchgeführt werden. Ist das realistisch? Eher nicht. Im Falle eines positiven Tests muss sich der Betreffende umgehend in Quarantäne begeben, und es ist ein weiterer Abstrich für eine PCR erforderlich, mit der das Ergebnis bestätigt wird. Die Zuverlässigkeit jedes Einzelnen ist also von großer Wichtigkeit. Derzeit gibt es noch viele offene Fragen. 28
INTERVIEW Was halten Sie von den Plänen eines Impfpasses als Instrument einer „Öffnungsstrategie“? Hier gehen bekanntermaßen die Meinungen auseinander. Meine persönliche Meinung ist, dass ein Impfnachweis in absehbarer Zeit Teil der Öffnungsstrategien sein wird. Sei es, was Reisen angeht, Besuche von kulturellen Einrichtungen oder von Kongressen. Jede gute Nachricht bezüglich des Rückgangs von Inzidenzzahlen, möglichen „Lockerungen“ des Shutdowns ist gegenwärtig mit großen Befürchtungen verbunden, dass die Mutanten eine größere Gefahr darstellen könnten, weshalb es offenbar auch so schwer ist, ein sicheres, für alle Lebensbereiche geltendes „Öffnungskonzept“ auf den Weg zu bringen. Wodurch zeichnen sich die jetzt neu aufgetretenen Varianten des SARS-CoV-2-Virus aus bzw. unterscheiden sich vom „Wildtyp“? Gegenwärtig bereiten uns drei SARS-CoV-2-Varianten Sorgen. Dies sind die britische (B.1.1.7), die südafrikanische (B.1.351) und die brasilianische Virusvariante (P.1). Die veränderten Eigenschaften der Viren sind dabei nicht Folge von nur einer einzelnen Mutation. Vielmehr müssen mehrere Mutationen parallel auftreten, damit die mutierten Viren den ursprünglichen Virustyp, den sogenannten Wildtyp, verdrängen können. Am häufigsten ist bei uns mittlerweile die britische Variante zu finden, mittlerweile lt. RKI in Deutschland der vorherrschende Erreger, der um 50−60 % ansteckender als der Wildtyp ist und vermutlich schwerere Krankheitsverläufe verursacht als andere Varianten. Zudem vermindert die zunehmende Verbreitung und Dominanz von B.1.1.7 die Wirksamkeit der bislang erprobten Infektionsschutzmaßnahmen erheblich. Es gibt zunehmend Berichte dahingehend, dass die Sterblichkeit doch merklich höher ist. Der Schutz durch Impfungen vor der britischen Variante ist zwar abgeschwächt, schwere Verläufe werden durch die verfügbaren Impfungen aber weitgehend verhindert. Zudem ist es möglich, und die Impfstoffhersteller arbeiten bereits daran, die Impfstoffe so anzupassen, dass sie auch gegen die mutierten Virusstämme wirksam sind. Bis derart angepasste Impfstoffe verfügbar sind, vergehen allerdings einige Monate. Die beiden anderen Varianten sind in Deutschland derzeit selten, was sich jedoch schnell ändern kann. Auch diese beiden Varianten zeichnen sich durch eine höhere Infektiosität als der Wildtyp aus. Dies verwundert nicht, denn Viren mit Mutationen setzen sich vor allem dann durch, wenn sie leichter übertragen werden. Auch für diese beiden Varianten gilt, dass sie aggressiver als der Wildtyp sind und häufiger zum Tode führen. Die Wirksamkeit von Impfungen scheint reduziert zu sein, was insbesondere für die südafrikanische Variante gezeigt wurde. Die zukünftige Verbreitung dieser mutierten Viren ist ein entscheidender Faktor für den weiteren Verlauf der Pandemie. Was kommt noch...? Eine letzte Frage zu den Impfstoffen, deren Zulassung in diesem Jahr noch erwartet wird. Was erwarten Sie? Erst vor kurzem wurde als vierter verfügbarer Impfstoff ein vektorbasierter Impfstoff von Johnson & Johnson zugelassen. Wichtiger Vorteil dieses Impfstoffes ist, dass eine einmalige Impfung ausreichend ist. Es finden aktuell Studien mit mehr als 150 Impfstoffen statt. Es ist gegenwärtig nicht absehbar, welche dieser Impfstoffe davon noch in diesem Jahr zur Zulassung kommen. Ich gehe aber davon aus, dass wir Ende des Jahres mehr als die zurzeit vier zugelassenen Impfstoffe haben werden. Herr Professor Plettenberg, vielen Dank für dieses Gespräch. Die Fragen stellte Elke Klug CONFERENCES 29
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