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Leseprobe CONNEXI-2021-02 AIDS COVID-19 Infektiologie

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Magazin über Gesundheit, Medizin, Therapien

INTERVIEW Der DÖAK im

INTERVIEW Der DÖAK im zweiten Jahr der Corona-Pandemie mit Priv.-Doz. Dr. Stefan Esser Ende März fand der 10. gemeinsame Kongress der deutschen und der österreichischen AIDS-Gesellschaft (DÖAK), 2021 erstmals in einem virtuellen Format, statt. Unter dem Motto „40 Jahre HIV/AIDS – Pandemien gestern und heute“ trafen sich mehr als 900 Teilnehmer. Neben aktuellen Themen aus dem HIV-Bereich spielte auch die COVID-19-Erkrankung eine nicht unerhebliche Rolle im Programm. In Plenarvorträgen, Symposien, Workshops, Campfire-Meetings und attraktiv präsentierten virtuellen Postern wurde der aktuelle Stand der HIV-Forschung wie auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie reflektiert und diskutiert. Zu einigen Aspekten sprach connexi mit dem neu gewählten Vorsitzenden der Deutschen AIDS-Gesellschaft e. V. (DAIG) Priv.-Doz. Dr. Stefan Esser, Universitätsklinikum Essen. CONFERENCES Herr Dr. Esser, schauen wir ein paar Monate zurück. Wie hat die Pandemie den Arbeitsalltag für Infektiologen in den Kliniken und Praxen verändert? Diese Pandemie hat einiges verändert. Beispielsweise zu Anfang bei der Präexpositionsprophylaxe. Der Bedarf war etwas zurückgegangen und damit auch die Zahl der beim Screening diagnostizierten Geschlechtskrankheiten. Aber das wurde dann im Laufe des Jahres wieder „aufgeholt“. Oder auch bei der Praxisorganisation. Als sehr erfreulich bleibt aber festzuhalten, dass die HIV-Schwerpunktbehandler die Versorgung von Menschen mit HIV-Infektion über die gesamte Zeit sicherstellen konnten. Das Personal wurde ausreichend geschult, es standen entsprechende Materialien zur Verfügung für den sicheren Schutz von Patienten und Mitarbeitern, und wir haben schnell unsere Hygiene- und Schutzmaßnahmen angepasst − kein Wartezimmer mehr, sondern eine Einbestellambulanz, vor dem Eingang werden verschiedene Tests durchgeführt, Fiebermessen, Fragebögen usw. − so dass wir die Versorgung von HIV-positiven Menschen weiterführen konnten. Das war für unsere Patienten eine große Beruhigung, dass sie hier sozusagen einen „sicheren Hafen“ hatten, in dem eine Betreuung weiter möglich war. Wie wird Ihnen der DÖAK 2021 in Erinnerung bleiben? Ich war sehr positiv überrascht, wie diese H e- rausforderung eines virtuellen Kongresses von allen Beteiligten gemeistert wurde. Selbst die beim DÖAK als besonderes Alleinstellungsmerkmal intensive Community-Beteiligung hat perfekt geklappt. Ich war beeindruckt, wie viele Menschen jeweils an den Einzelveranstaltungen aktiv teilgenommen haben. Unter anderem durch technische Finessen haben wir z. B. auch mit den besonderen Optionen der Postersessions einen erfreulich interaktiven Kongress erlebt. Natürlich wird solch ein Format niemals gänzlich einen Live-Kongress ersetzen können, aber aus meiner Sicht war es ein sehr lebendiger und wissenschaftlich hochinteressanter Kongress. Die wissenschaftlichen Schwerpunktthemen waren Antiretrovirale Therapie, PrEP und HIV- Impfung. Worin besteht der aktuelle Bedarf bei der Betreuung von HIV-Patienten in Deutschland? Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial bei Medikamenten? Die Effektivität der antiretroviralen Therapie ist heutzutage sehr gut. Weitere Verbesserungen wünschen wir uns vor allem bei den Nebenwirkungen, auch wenn die moderne ART vergleichsweise schon nebenwirkungsarm ist. Aber es gibt bei fast allen Substanzen oder Substanzkombinationen, die wir im Augenblick haben, Besonderheiten, die wir berücksichtigen müssen. Bei einigen Medikamenten ist es die Gewichtszunahme nach einer bestimmten antiviralen Therapie, ohne dass dem eine größere Lebensstiländerung zugrunde 8

Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Esser stefan.esser@uk-essen.de liegt. Das wird gerade intensiv erforscht. Weil die unfreiwillige Gewichtszunahme für die meisten Menschen belastend ist, wird der Aufklärung der Gründe, woran das liegen könnte, mit großer Ernsthaftigkeit nachgegangen. Außerdem gibt es beispielsweise auch psychotrope Nebenwirkungen, man schläft schlechter, hat Unruhezustände oder entwickelt eine Depression. Dabei ist schwer zu unterscheiden, was war zuerst da und was kommt eventuell wirklich von den Medikamenten. Aber auch das muss man ernst nehmen. Manche Medikamente sind mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko verbunden, andere mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion oder gehen mit einer abnehmenden Knochendichte einher. Zudem brauchen wir für besondere, z. B. mit multiresistenten HI-Viren Patienten noch einmal besondere Medikationen. Insofern begrüße ich sehr, dass jetzt, wie auf dem Kongress vorgestellt, weitere neue Substanzklassen in der Entwicklung sind und z. T. schon in die Therapie integriert werden können. Das ist extrem wichtig und wird uns helfen, vorbehandelte Patienten mit vielen Resistenzen effektiv zu behandeln. Außerdem haben unsere Patienten unterschiedliche Bedarfe, und es ist gut, dass jetzt neue Optionen wie Injectables und bald auch andere Langzeittherapien zur Verfügung stehen. Und wir können inzwischen mit noch potenteren Substanzen darüber entscheiden, ob wir immer drei oder vier Substanzen brauchen oder ob vielleicht auch zwei ausreichen. Es gibt bereits erste Kombinationen, die nur mit zwei antiviral wirksamen Substanzen ähnlich gute Ergebnisse erzielen wie mit drei Wirkstoffen. Damit bekommen wir ein größeres Instrumentarium für eine noch bessere Individualisierung unserer Therapie. Die große positive Veränderung für unsere Patienten der letzten Jahre ist jedoch, dass wir vergleichsweise deutlich verträglichere Medikamente haben, die vor allem einfacher einzunehmen sind. Eine Tablette pro Tag ohne besondere Vorgaben ist ein enormer Fortschritt. In der Impfstoffentwicklung gegen SARS-CoV-2 wurden sensationelle Erfolge innerhalb kürzester Zeit erzielt. Gibt es in der HIV-Impfstoff-Forschung Parallelen zu den Herausforderungen im Bereich des SARS-CoV-2-Virus? Welche Erfahrungen kann man ggf. nutzen? CONFERENCES 9

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