CHEMSEX Ein Blick hinter die Kulissen Matthias Kuske 1 , Daniel Deimel 2 , Hannes Ulrich 3 , Martin Viehweger 4 Unter dem Titel: „Chems, Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ fand während des DOEAK 2019 in Hamburg ein Communityboard-Workshop zu „ChemSex“ statt. ChemSex galt lange als Thema der Großstädte und war sehr beschränkt auf eine überschaubare Community in den schwulen Hotspots. Inzwischen wird auch außerhalb der Großstädte verstärkt registriert, dass ChemSex auch hier ein Thema ist. CONFERENCES Genannte Gründe für ChemSex sind insbesondere: „Um das sexuelle Erleben zu steigern und zu intensivieren“. Neben dem Substanzkonsum spielen Dating-Apps mit ihrer Systematik und ihren Normen eine große Rolle. Gleichzeitig ist das Phänomen eng mit Diskriminierungserfahrungen und psychischen Stressoren verbunden, die viele schwule Männer in ihrem Leben erfahren. Dating- Apps verstärken durch ihre Funktionsweise den (sub-)kulturellen Druck, immer gut auszusehen, sich selber im besten Licht zu präsentieren, immer sexuell zu funktionieren und eine sexuelle Variabilität an den Tag zu legen, die einen Pornostar erblassen lässt. Dabei wird Sexualität häufig auf sexuelle Praktiken reduziert. Intimität, Nähe oder der Wunsch nach einer erfüllenden Beziehung bleiben aber in der Regel wichtige Grundbedürfnisse, die bei ChemSex suggeriert, aber nicht erfüllt werden. Das Prinzip „Höher, Schneller, Weiter“ steht 1 Matthias Kuske, Trainer, Referent und Aktivist, Berlin, 2 Prof. Dr. Daniel Deimel, KatHO Aachen, 3 Hannes Ulrich, Sexualpsychologe, Berlin, 4 Dr. Martin Viehweger, Aktivist für sexuelle Gesundheit und Arzt, Berlin 32
CHEMSEX Einsamkeit 2,50 p= .000; d= .037 p= .000; d= .018 p= .000; d= .031 2,17 2,00 1,50 1,00 0,99 1,18 0,95 1,52 0,50 0,57 0.00 Emotional Loneliness Score Social Loneliness Score MSM (n=714) Normstichprobe (n=6.970) Total Loneliness Score Abbildung 1: Die Betroffenen sind dauereinsam im Sinne einer mangelnden Erfüllung psychosozialer Grundbedürfnisse. diametral zum Bedarf nach Ruhe, Nähe und einem intimen Beisammensein mit einem oder mehreren anderen Männern. Prof. Dr. Daniel Deimel berichtete im Rahmen des Workshops erste Ergebnisse des „German Chem- Sex Survey 2018“. Auf die Frage nach den Motiven für den Substanzkonsum im sexuellen Setting berichten die meisten der Befragten Motive, die den Zielen des Konsums entsprechen: Spaß haben, Entspannung, Ausleben von sexuellen Phantasien/ Praktiken, Intensiveres sexuelles Erleben, sexuelle Leistungssteigerung etc. Knapp 20 % berichten aber ebenfalls, dass ‚Vergessen von Problemen‘ ein Motiv ihres Konsums ist. Nicht jede Form des Substanzkonsums ist problematisch oder wird von den Befragten als problematisch empfunden. Die meisten Teilnehmer der Studie berichteten überhaupt keine oder eher keine Probleme mit ihrem Konsum zu haben. Dennoch stellt die Studie bei ca. 9 % der Befragten einen Unterstützungsbedarf in Bezug auf den Substanzkonsum fest. Hierbei spielt neben depressiver Symptomatik und Diskriminierungserfahrung das Erleben von Einsamkeit eine wichtige Rolle. Tatsächlich hat ein nicht geringer Teil der Befragten wenig soziale Unterstützungsressourcen (Abbildung 1). Der Mensch ist auf Bindung programmiert Auf die hohe Bedeutung des Grundbedürfnisses von menschlicher Nähe und Intimität ging Sexualpsychologe Hannes Ulrich in seinem Input ein. Dass Sexualität nicht nur der Fortpflanzung dient, dürfte inzwischen weitgehend akzeptiert sein. Hannes CONFERENCES 33
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