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Leseprobe CONNEXI AIds und Hepatitis Ausgabe 5-2018

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OPIATABHÄNGIGKEIT

OPIATABHÄNGIGKEIT CONFERENCES Personal fachgerecht eingewiesen wird. Zudem ist mit der jeweiligen Einrichtung eine Vereinbarung zu treffen, in welcher u.a. festgelegt wird, wer in der Einrichtung für die Substitution verantwortlich ist und wie erforderliche Kontrollen durch den substituierenden Arzt durchgeführt werden. Rechtliche Flexibilisierung der Take-home- Regelung Grundsätzlich soll dem Patienten das vom Arzt verschriebene Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden (kontrollierte Einnahme). Abweichend davon kann das Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme verordnet werden (Take-home-Verschreibung). Im Gesetz werden zwei Arten der Take-home- Verschreibung unterschieden. Die „Zwei-Tage- Regelung“ zur Take-home-Verschreibung und die „Sieben-Tage-Regelung“. Die Sieben-Tage-Regelung gilt ausdrücklich nur für Patienten, die sich in einer stabilen Substitutionsbehandlung befinden, während die Zwei-Tage-Regelung keine besonderen Kriterien für die Anwendung vorgibt, also im Prinzip für alle Substitutionspatienten gilt. Bei der Zwei-Tage-Regelung kann die Take-home- Verschreibung für bis zu zwei aufeinanderfolgende Tage oder für das Wochenende erfolgen. Die Verschreibung kann auf die für fünf Tage benötigte Menge ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber fordert in diesem Fall als Vorbedingung, dass die Kontinuität der Substitutionsbehandlung nicht anderweitig gewährleistet werden kann und der Verlauf der Behandlung dies zulässt. Außerdem sollen Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung soweit wie möglich ausgeschlossen und die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs nicht beeinträchtigt werden. Damit sind die Hürden für eine Take-home- Verschreibung für das Wochenende vergleichsweise niedrigschwellig und sind durchaus dazu geeignet substituierende Ärzte zu entlasten, die sonst jedes Wochenende arbeiten oder eine entsprechende Vertretung organisieren müssten. Ob für die Sieben-Tage-Regelung im Einzelfall eine stabile Substitution besteht, soll laut BÄK- Richtline vom behandelnden Arzt anhand folgender Kriterien beurteilt werden: •• regelmäßige Wahrnehmung der erforderlichen Arztkontakte •• abgeschlossene Einstellung auf das Substitutionsmittel •• klinische Stabilisierung des Patienten nach bisherigem Verlauf der Behandlung •• Ausschluss von Risiken einer Selbst- und Fremdgefährdung, insbesondere für ggf. im Haushalt mitlebende Kinder, soweit wie möglich •• kein Konsum weiterer Substanzen, die zusammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels zu einer schwerwiegenden gesundheitlichen Gefährdung führen können •• Patient verstößt nicht gegen getroffene Vereinbarungen •• Patient ist psychosozial stabil. Wie bisher bleibt der Standard eine Verordnung des Substitutionsmittels in der für bis zu sieben Tage benötigten Menge. Eine wichtige Neuerung ist jedoch, dass in begründeten Einzelfällen eine eigenverantwortliche Einnahme für bis zu 30 Tage möglich ist. Ein solcher Einzelfall kann dabei medizinisch begründet sein oder dadurch, dass die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder die Erwerbstätigkeit gesichert werden. Als medizinische Begründung gilt, wenn der Patient schwerwiegend erkrankt oder immobil ist. Die Neuregelung erlaubt jetzt also, dass ein Substitutionspartner für länger als sieben Tage verreisen kann. Früher mussten Substitutionspatienten für solche Reisen im Inland vor Ort einen Substitutionsarzt finden, welcher die Substitutionsbehandlung dann vertretungsweise für den entsprechenden Zeitraum übernommen hat. 56

OPIATABHÄNGIGKEIT Wichtig ist, dass der Patient dem Substitutionsarzt den Sachverhalt, der eine verlängerte Takehome-Verordnung begründet, glaubhaft zu machen hat und die Verschreibung der Entscheidung und Verantwortung des behandelnden Arztes unterliegt. Ein Anspruch seitens des Patienten besteht nicht. Dokumentationspflicht Durch die Neuregelungen wird der substituierende Arzt verpflichtet, gemäß den von der BÄK bestimmten Anforderungen zu dokumentieren und die Dokumentation auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde vorzulegen oder einzusenden. Die Anforderungen der BÄK zur Dokumentation sind mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Bisher ist nicht bekannt wie oft, zu welchem Anlass, in welchem Umfang und mit welcher Konsequenz die Dokumentation von der zuständigen Landesbehörde geprüft werden wird. Offensichtlich ist jedoch, dass hinsichtlich der Dokumentationspflicht besondere Anforderungen an die substitutionsgestützte Behandlung gestellt werden, die deutlich über die Anforderungen, bei der Behandlung von anderen Krankheiten hinausgehen. Fazit Durch die Überführung der ärztlich-therapeutischen Regelungsinhalte aus der BtMVV in die Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer wurde eine Annäherung des Substitutionsrechtes an den aktuellen Stand der Wissenschaft erreicht. Außerdem kann eine Richtlinie zukünftig leichter an medizinische Entwicklungen angepasst werden als dies im Rahmen einer gesetzlichen Regelung möglich wäre. •• Die Regelungen zur Take-home-Vergabe und die erweiterten Möglichkeiten zur Sichtvergabe haben sich mehr den realen Bedürfnissen der Substitutionsbehandlung angenähert. •• Für die Patienten entfallen durch die Neuregelungen bei der Take-home-Verordnung einige Hemmnisse in Bezug auf eine erfolgreiche (Re-) Integration in die Gesellschaft. •• Das Abstinenzparadigma ist in den Hintergrund getreten und durch realistische und wissenschaftlich vernünftige Therapieziele ersetzt worden. Der moralische Druck auf den Suchtpatienten wurde reduziert. •• Die Neuregelung der Substitutionstherapie hat die juristischen Risiken für die Behandler reduziert. Gleichzeitig haben der bürokratische Aufwand und die Anforderungen an die Dokumentationspflicht zugenommen. Um dringend benötigte Versorgungskapazitäten für die Behandlung von Opioidabhängigen zu schaffen, sind die bisherigen Verbesserungen nicht ausreichend. Wenn das politisch angestrebte Ziel, die medizinische Versorgung von Substitutionspatienten durch mehr Ärzte zu sichern, erreicht werden soll, dann muss entweder der im Vergleich zur Behandlung von anderen Erkrankungen erhöhte Aufwand reduziert werden oder es müssen andere Anreize geschaffen werden, um die erhöhten Anforderungen bei der Substitutionsbehandlung auszugleichen. Referenzen: 1. Grönbladh L1, Ohlund LS, Gunne LM. Mortality in heroin addiction: impact of methadone treatment. Acta Psychiatr Scand. 1990 Sep; 82(3): 223−227. 2. Langer K, Wittchen H U, Bühringer G, Rehm J T. PREMOS- STUDIE: Die Substitutionsbehandlung Opioidabhängiger: Grundlagen, Versorgungssituation und Problembereiche. Suchtmed 2011; 13(5): 202–212. 3. Bericht der Bundesopiumstelle im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum Substitutionsregister, Januar 2018. https://www.bfarm.de 4. Entschließung zur Dritten Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung vom 12.05.2017. Bundesrat, Drucksache 222/17 (Beschluss). 5. Bekanntmachung der Richtlinie nach § 5 Absatz 12 Satz 1 bis 3 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. BAnz AT 02.10.2017 B1. CONFERENCES 57

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