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Leseprobe CONNEXI Biomarker Ausgabe 2-2018

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FAMILIÄRE

FAMILIÄRE HYPERCHOLESTERINÄMIE „FASS DIR EIN HERZ“ Register & Kaskadenscreening der Österreichischen Atherosklerosegesellschaft Gabriele Hanauer-Mader, Hans Dieplinger und Christoph Binder, Wien Familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist eine nach wie vor unterdiagnostizierte und untertherapierte Fettstoffwechselstörung, die unbehandelt zu frühzeitiger Atherosklerose und in der Folge zu koronarer Herzerkrankung führen kann. Mit dem Aufbau eines nationalen FH-Registers in Österreich soll der Versorgungs- und Behandlungsstatus von FH-Patienten dokumentiert werden und mittels Kaskadenscreenings weitere von FH betroffene Verwandte ersten und zweiten Grades detektiert werden. Durch frühzeitige Diagnose und Therapie der FH soll kardiovaskulären Erkrankungen vorgebeugt werden, was nicht nur Betroffenen zugutekommt, sondern auch dem öffentlichen Gesundheitssystem eine hohe Kostenbelastung erspart. CONFERENCES Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigsten Todesursachen in Österreich. Zudem ist wissenschaftlich belegt, dass LDL-Cholesterin auf molekularer wie zellulärer Ebene an der Pathogenese der Atherosklerose beteiligt ist, die den klassischen kardiovaskulären klinischen Endpunkten wie Myokardinfarkt und Schlaganfall zugrunde liegt [1]. Epidemiologische Studien zeigen übereinstimmend eine Korrelation des Serum LDL-Cholesterins mit Myokardinfarkt und kardiovaskulären Todesfällen [2]. Studien mit Mendelscher Randomisierung konnten nachweisen, dass die genetisch determinierte Regulation des LDL-C mit klinischen kardiovaskulären Ereignissen, insbesondere dem Risiko für Myokardinfarkte, korreliert [3]. Über familiäre Hypercholesterinämie Joseph Goldstein und Michael Brown legten in den 1970er-Jahren mit ihren bahnbrechenden Erkenntnissen zur Aufnahme von LDL-Partikeln über rezeptorvermittelte Endozytose (die 1985 zum Nobelpreis für Medizin und Physiologie führten) nicht nur den Grundstein für das Verständnis eines damals völlig neuen zellbiologischen Vorganges der Aufnahme von Liganden über Zellmembranen [4], sondern klärten damit auch den molekulargenetischen und zellulären Mechanismus auf, der bei den meisten von familiärer Hypercholesterinämie (FH) betroffenen Individuen für diese Stoffwechselstörung verantwortlich ist, nämlich Mutationen im LDL-Rezeptorgen [5]. Mittlerweile sind über 1.700 verschiedene Mutationen im Gen des LDL-Rezeptors bekannt, die zu verschieden starken Ausprägungen von FH führen und für ca. 75 % aller FH-Fälle verantwortlich sind [6, 7]. Die restlichen 25 % werden durch Mutationen im Gen für Apolipoprotein B, PCSK9, LDL-Rezeptor-Adapter- Protein (LDLR-AP) sowie Mutationen in noch unbekannten Genen verursacht. Die klassische Form der 46

FAMILIÄRE HYPERCHOLESTERINÄMIE FH folgt einem autosomal-dominanten Erbgang, eine Ausnahme bieten die seltenen Mutationen im LDLR-AP, die autosomal-rezessiv vererbt werden. Die familiäre Hypercholesterinämie ist mit einer geschätzten Prävalenz von 1 : 250 bis 1 : 200 eine der häufigsten monogenen Stoffwechselstörungen und ist, bedingt durch die reduzierte oder defekte Clearance von LDL, durch eine Erhöhung v.a. von LDL-C im Serum gekennzeichnet (LDL-C bei Heterozygoten 190–450 mg/dl, bei Homozygoten >400 mg/dl), die Ursache frühzeitiger kardiovaskulärer Ereignisse [8]. Leider ist FH in Österreich stark unterdiagnostiziert. Geht man von einer Prävalenz von 1 : 200 aus, sind in Österreich bis zu 40.000 Personen von FH betroffen. Die vorliegenden Prävalenzdaten, verbunden mit unserem Wissen über den Mechanismus der Entstehung von FH und der seit 30 Jahren möglichen kurativen Behandlungsmöglichkeit von FH, lassen es unverständlich erscheinen, warum es in den meisten Ländern keine oder nur höchst unvollständige Registerdaten für FH gibt. Auch in Österreich sind mehr als 90 % der FH-Betroffenen weder diagnostiziert noch adäquat therapiert. Eine löbliche Ausnahme bildet Holland, das bereits seit über 20 Jahren ein landesweites FH-Register aufbaut und bezüglich Erfassung der FH weltweit an der Spitze steht (damals noch unter Annahme einer Prävalenz von 1 : 500) [9] (Abbildung 1). Etablierung eines österreichweiten FH-Registers und Kaskadenscreenings Die Diagnose FH wird in den meisten Fällen erst nach dem Auftreten von schweren Folgeerkrankungen gestellt. Durch eine frühzeitige Therapie mit cholesterinsenkenden Medikamenten kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen jedoch vermindert werden. Mittels Kaskadenscreening können, ausgehend von einem Indexpatienten, Anzahl FH (angenommene Prävalenz von 1 : 500) 33.300 9.900 600 15.600 123.600 92.200 22.200 10.900 11.100 100.000 45.000 14.100 130.900 46.300 121.000 5.700 621.200 68.600 254.800 34.300 381.500 214.900 Niederlande Norwegen Island Schweiz GB Spanien Belgien Slowakei Dänemark Südafrika Australien Hongkong Frankreich Taiwan Italien Oman USA Kanada Japan Chile Brasilien Mexiko 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Anteil diagnostizierter FH (geschätzt) in %. erstgradige und zweitgradige Verwandte untersucht und nach erfolgter Diagnose einer frühzeitigen präventiven Behandlung zugeführt werden. Das österreichische Register- und Kaskadenscreeningprojekt „Fass dir ein Herz“ wurde unter dem Dach der Österreichischen Atherosklerosegesellschaft, initiiert von Univ.-Prof. Dr. Hans Dieplinger, MedUni Innsbruck, und seit Mai 2017 geleitet von Univ.-Prof. DDr. Christoph Binder, Institut für Labormedizin, MedUni Wien, an den medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck etabliert. Weitere medizinische Zentren in ganz Österreich folgen in Kürze. Bei der Durchführung des Kaskadenscreenings und dem Aufbau des Patientenregisters ist die Hilfe der niedergelassenen Ärzte und Spezialambulanzen unerlässlich. Die Ärzte sollen anhand der Diagnostizierte FH (geschätzt) 71 % 43 % 19 % 13 % 12 % 6 % 4 % 4 % 4 % 3 % 1 % 1 % 1 %

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