GESCHLECHTSUNTERSCHIEDE BEI KHK Frauen und Männer nicht über einen Kamm scheren „Frauenherzen schlagen (etwas) anders“ – dies zeigt sich vor allem bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) und der Angina pectoris. Zunehmend rücken hier geschlechtsspezifische Unterschiede in den Fokus, wie Experten auf einem Symposium im Rahmen der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim verdeutlichten. Wenn es um die klassische KHK mit Obstruktion der Koronararterien geht, sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen gar nicht so groß, betonte Prof. Dr. Harald Darius vom Vivantes- Klinikum Neukölln in Berlin. Es liegen im Prinzip die gleichen pathogenetischen Mechanismen und Risikofaktoren der Arteriosklerose zugrunde – die bei Frauen aber erst wesentlich später nach der Menopause zum Tragen kommen. Frauen sind daher bei Manifestation im Schnitt 7–10 Jahre älter als Männer und weisen mehr Komorbiditäten wie Diabetes mellitus und Hypertonie auf. Im ersten Jahr nach dem Herzinfarkt haben Frauen eine höhere Mortalität als Männer – in den darauffolgenden Jahren aber nicht mehr [1]. Frauen mit Angina pectoris haben häufiger „offene“ Koronararterien Trotzdem gibt es bei der Manifestation der KHK wesentliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern, die auch die European Society of Cardiology (ESC) dazu veranlasst hat, sich für eine verstärkte Berücksichtigung von Geschlechtsun- 520 510 514±7 509±7 508±7 Zeit (Sekunden) 500 490 480 482±7 479±7 477±7 470 460 EDUCATION 450 Placebo Belastungsdauer p=0,002 Ranolazin Zeit bis ST-Senkung ≥1mm p=0,003 Zeit bis Anginapectoris-Beschwerden p=0,002 Abbildung 1: Patienten mit stabiler Angina pectoris profitieren von Ranolazin (modifiziert nach [7]). 42
GESCHLECHTSUNTERSCHIEDE BEI KHK terschieden in künftigen Leitlinien auszusprechen. Wesentlich häufiger als bei Männern finden sich bei Frauen mit Angina pectoris unauffällige Koronararterien ohne Ob struktion, berichtete Prof. Dr. Verena Stangl von der Berliner Charité. So wiesen in einer schwedischen Registerstudie mit 11.223 Patienten mit Angina pectoris 48 % der Frauen unauffällige epikardiale Koronargefäße auf, und bei 17 % zeigte sich eine diffuse nichtobstruktive KHK. Bei Männern lagen diese Anteile nur bei 19 % bzw. 14 % [2]. Dies mache deutlich, dass die Angina pectoris bei offenen Koronararterien kein reines „Frauenproblem“ ist – Frauen aber wesentlich häufiger betroffen sind. Störungen der Mikrozirkulation als Ursache Zugrunde liegt bei diesen Fällen von INOCA (ischemia and no obstructive coronary artery disease) häufig eine Störung der koronaren Mikrozirkulation, die sich bei der Katheterangiographie nicht abbilden lässt, sagte die Expertin. Zahlreiche strukturelle und funktionelle Störungen der Mikrozirkulation können hier zu einer Myokardischämie beitragen. Dazu gehören Obstruktionen, intravasale Thromben und distale Embolien – aber auch Entzündungen und mikrovaskuläre Spasmen. Dieses Krankheitsbild muss sehr ernst genommen werden, da auch mikrovaskulär bedingte Myokard ischämien mit einer schlechteren Prognose und einem deutlich erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einhergehen [2]. Ein nicht zu vernachlässigender Risikofaktor für die mikrovaskuläre Dysfunktion ist die langjährige Hypertonie mit Ausbildung einer kardialen Hypertrophie. Auch hier zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede: Frauenherzen reagieren auf die Druckbelastung eher mit einer konzentrischen Hypertrophie, was das Problem der mikrovaskulären Dysfunktion verstärken könnte [3]. Selbst bei Vorliegen eines Herzinfarkts mit erhöhten kardialen Nekrosemarkern, entsprechender Klinik, EKG-Veränderungen und Untergang von Herzmuskelzellen lassen sich in 5–9 % der Fälle keine oder nur unwesentliche Obstruktionen nachweisen. Auch von diesem MINOCA (myocardial infarction with nonobstructive coronary arteries) sind nach dem ACTION-Register Frauen deutlich häufiger betroffen (10,5 % vs. 3,4 %) [4]. Eine unauffällige Koronarangiographie reicht als Diagnose nicht aus Zum sicheren Ausschluss einer koronaren Ob struktion ist die Koronarangiographie bei Angina pectoris mit Ischämienachweis meist unumgänglich – sie reicht aber bei normalem Koronarbefund nicht aus. Goldstandard wäre in diesen Fällen die Bestimmung der koronaren Flussreserve (CFR), mit der sich eine mikrovaskuläre Dysfunktion gut nachweisen lässt. Provokationstests mit Acetylcholin können die Diagnostik ergänzen. Personalisierte antiangionöse Therapie Die verschiedenen Manifestationen der Angina pectoris erfordern einen personalisierten Therapieansatz, betonte Prof. Dr. Dr. Samuel Tobias Sossalla vom Universitätsklinikum Regensburg. Neben der konsequenten Behandlung von Risikofaktoren wie Diabetes, Hypertonie und Dyslipid ämie, sollten alle Patienten ASS und Statine erhalten und zu sportlichen Aktivitäten motiviert werden. Auch die Verordnung eines kurzwirksamen Nitro-Präparates zu Behandlung von Akutbeschwerden darf nicht vergessen werden. Als Mittel der ersten Wahl zur antianginösen Therapie gelten Betablocker und Kalziumkanal blocker. Hierbei muss aber sehr individuell unter Berücksich- EDUCATION 43
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