DILEMMA ORGANMANGEL CONFERENCES Zusätzlich wurde in der gleichen Studie auch das Überleben nach der Transplantation verglichen, wenn bei älteren Empfängern entweder eine frühzeitige Transplantation mit einem ECD-Organ durchgeführt wurde (wie beim ESP) oder eine Transplantation mit längerer Wartezeit aber einem Organ ohne erweiterte Spenderkriterien. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit des Fünf-Jahres-Pa tientenüberlebens mit einem funktionierenden Transplantat signifikant höher war, wenn innerhalb von einem Jahr nach Aktivierung auf der Warteliste ein ECD-Organ transplantiert wurde, als wenn eine verzögerte Transplantation ≥3 Jahre nach Aktivierung auf der Warteliste mit einem Organ ohne erweiterte Spenderkriterien vorgenommen wurde. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Transplantation „marginaler Organe“ in ausgewählten Empfängergruppen, d. h. vornehmlich bei älteren Empfängern, sehr gute Ergebnisse aufweist. Viel wichtiger als die Organqualität scheint in dieser Altersgruppe hinsichtlich des Patientenüberlebens, dass die Wartezeit möglichst kurz gehalten wird. Diese Politik ist im Eurotransplant Senior Program bereits umgesetzt. Hinsichtlich der Transplantation marginaler Organe außerhalb des ESP sind beispielsweise Empfänger im höheren Alter (60 bis 65 Jahre) besonders prädestiniert. Das Ziel sollte auch hier eine Verkürzung der Wartezeit sein. Für die USA wurde anhand der Daten von 120.818 Nierentransplantationen und 376.272 Registrierungen auf der Warteliste zwischen 2005 und 2016 ein Online-Kalkulator (www.transplantmodels. com/kdpi-epts) entwickelt, mit dem sich die Fünfund Zehn-Jahres-Überlebensraten eines individuellen Patienten berechnen lassen, wenn er entweder an der Dialyse verbleibt oder nierentransplantiert wird. Dabei wird auch die Organqualität für ein individuelles Angebot anhand des Kidney Donor Profile Index (KDPI) einbezogen. So lässt sich für eine bestimmte Spender-Empfänger-Konstellation Univ.-Prof. Dr. med. Daniel Seehofer daniel.seehofer@medizin.uni-leipzig.de der Überlebensvorteil (oder auch Nachteil) quantifizieren [8]. Aufgrund diverser Unterschiede zwischen dem UNOS- und dem Eurotransplant-Bereich können diese Ergebnisse nicht direkt auf die Verhältnisse in Deutschland übertragen werden, sie liefern aber immerhin einen interessanten Ansatz, um die Verteilung marginaler Organe zu optimieren. Konditionierung marginaler Organe? Eine weitere Erhöhung der Transplantationszahlen durch Ausweitung der Spenderkriterien oder weitere Optimierung der Allokationsstrategien erscheint, wie oben dargelegt, in Deutschland nicht in relevantem Ausmaß möglich bzw. sinnvoll zu sein. Somit wird nach alternativen Strategien gesucht, um entweder den Organpool zu erweitern oder die Ergebnisse der Transplantation marginaler Organe zu verbessern. Da die Ischämiezeit eine der wesentlichen Determinanten für die kurz- und langfristige Funktion von marginalen Organen darstellt, besteht ein Ansatz darin, statt der kalten Ischämie eine oxygenierte, hypotherme oder normotherme Perfusion in entspre- 30
DILEMMA ORGANMANGEL chenden Perfusionsmaschinen durchzuführen. Im Bereich der Lebertransplantation konnte im Rahmen von prospektiven bzw. prospektiv randomisierten Studien gezeigt werden, dass durch eine normotherme Maschinenperfusion die Rate an transplantierten Lebern erhöht werden konnte [9] und sogar ein gewisser Anteil der komplett abgelehnten Organe wieder re-konditioniert und erfolgreich transplantiert werden konnte [10]. Auch für Nierentransplantate konnte in einer initialen prospektiv randomisierten Studie zur Maschinenperfusion von ECD-Nieren ein signifikant besseres Drei-Jahres-Transplantatüberleben (86 % vs. 76 %) erreicht werden [11]. Eine retrospektive Analyse von 78.207 Nierentransplantationen (Leichenspenden) des amerikanischen SRTR-Registers zwischen 2006 und 2013 ergab dagegen keine wesentlichen Vorteile für die Maschinenperfusion bei Nierentransplantaten mit Standardkriterien oder erweiterten Spenderkriterien. Lediglich in der für Deutschland nicht relevanten Gruppe von Spendern nach Kreislaufstillstand (DCD) fanden sich Vorteile für die Maschinenperfusion. Lediglich die Rate an verzögerter Transplantatfunktion (DGF) konnte durch Maschinenperfusion etwas reduziert werden, bei den Langzeitergebnissen fanden sich dagegen keine Unterschiede mehr [12]. Trotzdem bleibt die Maschinenperfusion ein interessanter Ansatz, der aufgrund des zunehmenden Organmangels und auch des zunehmenden Alters der Organspender weiter untersucht werden sollte. Im Bereich der Nierentransplantation gilt es hier, weitere Spendergruppen herauszuarbeiten, die von einem Einsatz dieser Technik profitieren. Die Möglichkeiten, die die Maschinenperfusion bietet, sind mannigfaltig. Hierzu gehören eine Verkürzung bzw. Vermeidung der kalten Ischämiezeit, eine Ex-vivo- Funktionsbeurteilung vor der Transplantation und ggf. auch pharmakologische Vorbehandlungen des Transplantats. Referenzen 1. Eurotransplant, ET-Report 2017, www.eurotransplant.org 2. Frei U, Noeldeke J, Machold-Fabrizii V et al. Prospective age-matching in elderly kidney transplant recipients--a 5-year analysis of the Eurotransplant Senior Program. Am J Transplant 2008; 8(1): 50–7. 3. Aubert O, Kamar N, Vernerey D et al. Long term outcomes of transplantation using kidneys from expanded criteria donors: prospective, population based cohort study. BMJ 2015; 351: h3557. 4. Aubert O, Kamar N, Vernerey D et al. A. Long term outcomes of transplantation using kidneys from expanded criteria donors: prospective, population based cohort study. BMJ. 2015 Jul 31; 351: h3557. 5. Denecke C, Biebl M, Fritz J et al. Reduction of cold ischemia time and anastomosis time correlates with lower delayed graft function rates following transplantation of marginal kidneys. Ann Transplant 2016; 21: 246–55. 6. van Ittersum FJ, Hemke AC, Dekker FW et al. Increased risk of graft failure and mortality in Dutch recipients receiving an expanded criteria donor kidney transplant. Transpl Int 2017; 30(1): 14–28. 7. Rose C, Schaeffner E, Frei U et al. A lifetime of allograft function with kidneys from older donors. J Am Soc Nephrol 2015; 26(10): 2483–93. 8. Bae S, Massie AB, Thomas AG et al. Who can tolerate a marginal kidney? Predicting survival after deceased donor kidney transplant by donor-recipient combination. Am J Transplant 2019; 19(2): 425–33. 9. Nasralla D, Coussios CC, Mergental H et al.; Consortium for Organ Preservation in Europe. A randomized trial of normothermic preservation in liver transplantation. Nature 2018; 557(7703): 50–6. 10. Laing RW, Mergental H, Yap C et al. Viability testing and transplantation of marginal livers (VITTAL) using normothermic machine perfusion: study protocol for an open-label, non-randomised, prospective, single-arm trial. BMJ Open 2017; 7(11): e017733. 11. Moers C, Pirenne J, Paul A, Ploeg RJ; Machine Preservation Trial Study Group. Machine perfusion or cold storage in deceased-donor kidney transplantation. N Engl J Med 2012; 366(8): 770–1. 12. Sandal S, Luo X, Massie AB et al. Machine perfusion and long-term kidney transplant recipient outcomes across allograft risk strata. Nephrol Dial Transplant 2018; 33(7): 1251–9. Univ.-Prof. Dr. med. Daniel Seehofer Klinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Leipzig Liebigstraße 20, 04103 Leipzig CONFERENCES 31
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