MONITORING UND OPTIMIERUNG Transplantationsnachsorge im nephrologischen Alltag Symposiumsbericht Die Ursachen für den Verlust einer transplantierten Niere sind vielfältig. Einige Parameter, die das Risiko für einen Transplantatverlust erhöhen, lassen sich jedoch modifizieren. Schätzungen zufolge besteht bei rund einem Drittel der Nierentransplantatverluste ein Zusammenhang mit Non-Adhärenz. Bereits durch eine Reduktion der Dosierungsfrequenz der Immunsuppression lässt sich die Adhärenz verbessern. Anlässlich der 10. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie in Berlin berichteten Experten darüber, wie die nephrologische Versorgung und Nachsorge in der Transplantation verbessert werden kann. EDUCATION Eine gute Transplantatfunktion über einen möglichst langen Zeitraum zu erhalten, ist die eigentliche Herausforderung in der Transplantationsmedizin. Trotz aller Fortschritte hat sich das Langzeittransplantatüberleben nach NTX in den letzten 15 Jahren nur unwesentlich verbessert. Neben den unerwünschten Wirkungen von Immunsuppressiva sind es vor allem die subklinisch verlaufenden, durch de-novo donorspezifische Antikörper (dnDSA) vermittelten Abstoßungen, die den wesentlichen Anteil der Transplantatverluste im Langzeitverlauf ausmachen. Da bei mangelnder Adhärenz die Wirkspiegel der Immunsuppressiva immer wieder unter dem Zielbereich liegen, stellt sie einen bedeutenden Risikofaktor für die Entstehung von dnDSA dar [1], wie Prof. Dr. med. Mario Schiffer aus Hannover ausführte. Verbesserung der Medikamenten adhärenz in der Transplantationsnachsorge Schätzungen zufolge besteht bei rund einem Drittel der Nierentransplantatverluste ein Zusammenhang von humoralen Abstoßungen mit Non- Adhärenz. Sellares et al. konnten in einer Studie mit 315 Patienten zeigen, dass von den Patienten, die ihr Transplantat aufgrund einer antikörpervermittelten Abstoßung verloren hatten, 47 % (17 von 36) unabhängig von ihren Ärzten als nichtadhärent eingestuft worden waren [2]. Inzwischen mehren sich die Belege, dass Non-Adhärenz, die Entstehung von dnDSA und der Transplantatverlust eng miteinander korreliert sind (Abbildung 1) [3, 4]. Befragt man Transplantationsmediziner, so wird erkennbar, dass sie die Non-Adhärenz ihrer Patienten unterschätzen, wie Pabst et al. in einer Querschnitt analyse aus Hannover zeigen konnten [5]. Während 9,8 % der Patienten von den Ärzten als nicht adhärent eingeschätzt wurden, räumten 36 % der Patienten in der Eigenbefragung nicht adhärentes Verhalten ein. Bemerkenswert ist laut Schiffer, dass von den 36 % nicht adhärenten Pa tienten des Zentrums von ärztlicher Seite keiner als nicht adhärent erkannt worden war. Einmal tägliche Einnahme verbessert die Adhärenz Adhärenz und Non-Adhärenz werden nach einer Beschreibung der WHO [6] von fünf Kategorien beeinflusst: soziale/ökonomische, krankheitsbezogene, gesundheits systembedingte, patientenbezogene und therapiebezogene. Nach einer Organtransplantation sind es vor allem die therapiebedingten Faktoren wie Therapiedauer, das Auftreten von Neben wirkungen, aufwendige Einnahmeschemata mit Einnahmen zu bestimmten Uhrzeiten und die Dosierungsfrequenz, die mitursächlich am nicht adhärenten Verhalten beteiligt sind. Man weiß seit langem, dass vereinfachte Therapieregime und Einmal-Gaben die Adhärenz verbessern können [7]. Dass bereits eine Reduktion der Dosierungsfrequenz von zweimal täglich auf einmal täglich die Adhärenz erhöht, zeigt die randomisierte, multizentrische Studie ADMIRAD [8]. In der Studie wurde die Adhärenz bei 291 36
MONITORING UND OPTIMIERUNG 1,0 NTX-Patienten, die eine zweimal tägliche Tacrolimus-Formulierung (PROGRAF) einnahmen, über drei Monate elek tronisch aufgezeichnet (Helping Hand System, Bang & Olufsen, DK). Anschließend wurden die Patienten 1:2 auf ADVAGRAF [9], eine retardierte TAC-Formulierung zur einmal täglichen Einnahme umgestellt und für weitere sechs Monate nachbeobachtet. In der Advagraf-Gruppe nahmen mit 88,2 % signifikant mehr Patienten ihre verordnete Tagesdosis ein als in der Kontrollgruppe mit 78,8 % (p=0,0009) (Abbildung 2) [8]. Follow-up des Nieren-Lebendspenders Eine Alternative zur postmortalen Organspende ist die Lebendspende; sie ist in vielerlei Hinsicht der Idealfall der Nierentransplantation (NTX), und durch sie könnte die Zahl der Nierentransplantationen in Deutschland deutlich gesteigert werden. Doch die Realität spricht eine andere Sprache, denn auch bei der Lebendspende waren die Transplantationszahlen von 795 im Jahr 2011 auf 557 im Jahr 2017 dramatisch rückläufig, wie Prof. Dr. Barbara Suwelack aus Münster anmerkte. Dies sei möglicherweise auch dadurch zu erklären, dass in den letzten Jahren mehr über die Risiken der Lebendspende bekannt wurde und nicht nur potenzielle Spender und Pa tienten, sondern auch Ärzte auf diese Meldungen zunehmend verunsichert reagieren. Auch das Spenderprofil hat sich in den letzten Jahren verändert. Je knapper der Organpool, desto eher ist man bereit, auch die zunächst als nicht ideal angesehenen Lebendspender zu berücksichtigen. Heute sind die Lebendspender im Schnitt älter und mit dem Alter nimmt auch die Prävalenz der Vorerkrankungen wie arterielle Hypertonie, Adipositas oder eine bereits eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) zu, wie Daten des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) belegen. Doch auch ohne Komorbidität besteht ein gewisses Überlebende Transplantate Anteil Patienten mit korrekter Einnahme 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 De-novo-gebildete DSA (n=47) keine De-novo–DSA (n=268) 0 0 1 2 3 DSA=Donor-spezifische Antikörper 4 5 6 7 Jahre Nachbeobachtung Abbildung 1: Kaplan-Meier-Analyse: dnDSA sind mit einem signifikant schlechteren Transplantatüberleben assoziiert (modifiziert nach [4]). ADMIRAD-Studie: Tacrolimus zweimal täglich vs. ADVAGRAF (Tacrolimus Hartkapseln mit verlängerter Freisetzung, einmal täglich) 100 80 60 40 20 0 -100 Langzeitrisiko. Man geht davon aus, dass mit der Nephrektomie eine Einschränkung der GFR von circa 30 % einhergeht, jeder 200. bis 1.000. Lebendspender in 15 Jahren selbst dialysepflichtig wird [10, 11] und sich die individuelle Lebenserwartung um ein halbes bis ein Jahr im Vergleich zur Normalpopulation verringert [12]. Vor diesem Hintergrund kommt einer optimalen Nachsorge, welche auch die langfristigen Risiken der Lebendspende berücksichtigt, eine zentrale Bedeutung zu. Nur wenn individuelle Risikofaktoren früh erkannt und gezielt behandelt werden, ist Lebendspende auch sicher. Formal ist die Nachbetreuung der Lebendspender in Deutschland durch das Transplantationsgesetz abgesichert. Die Kosten werden über die Krankenkasse und bei Komplikationen, die auf die Lebendspende zurückzuführen sind, über die gesetzliche Unfallversicherung abgerechnet. In der Praxis verläuft die Spendernachsorge oftmals nicht standardisiert ab, sodass den Transplantationszentren oft nicht ausreichend Informationen zum Gesundheitszustand ihrer Spender zur Verfügung stehen. Auch fehlt es an validen Langzeit-Daten zum Outcome. In Deutsch- 8 einmal tägliche Einnahme (n=145) zweimal tägliche Einnahme (n=74) p=0,0009 -50 0 50 100 150 Anzahl Tage seit Randomisierung 9 10 11 ADMIRAD=Adhärenzmessung bei stabilen Nierentransplantationspatienten nach Umstellung von PROGRAF auf ADVAGRAF Abbildung 2: Die Implementierung eines Regimes mit Tacrolimus einmal täglich war dem Regime mit Tacrolimus zweimal täglich signifikant überlegen (p=0,0009) (modifiziert nach [8]). EDUCATION 37
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