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Leseprobe CONNEXI Nephrologie Dialyse Transplantation Ausgabe 2-2019

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ASSISTIERTE

ASSISTIERTE PERITONEALDIALYSE (aPD) Das unterschätzte Potenzial der Heimdialyse Symposiumsbericht Bei der Behandlung von Patienten, die eine Nierenersatztherapie benötigen, dominiert in Deutschland die zentrumsbasierte Hämodialyseversorgung. Heimdialyseverfahren werden zu wenig angeboten, insbesondere werden die Vorteile einer assistierten häuslichen Peritonealdialyse zu selten genutzt, obwohl hiervon insbesondere ältere Patienten mit eingeschränkter Autonomie profitieren könnten. Damit jeder Patient zukünftig mit genau dem Dialyseverfahren behandelt wird, das für ihn am besten geeignet ist und seinen Bedürfnissen und Wünschen entspricht, engagiert sich NADia, das neu gegründete Netzwerk Assistierte Dialyse, für eine Optimierung dieser Versorgungsstrukturen. EDUCATION Die Peritonealdialyse (PD) ist in Deutschland besonders für die am stärksten wachsende Gruppe autonomieeingeschränkter, älterer dialysepflichtiger Patienten trotz anerkannt besserer Behandlungsoption in puncto Lebensqualität, Überleben und Vermeidung typischer Dialysekomplikationen unterrepräsentiert. In Frankreich, den Niederlanden und Dänemark ist die assistierte PD bereits fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung und PD-Assistenten erhalten für ihre Leistung eine adäquate Vergütung. In Deutschland werden überhaupt nur ca. 6,9 % (MNC Bericht 2017) der rund 85.000 dialysepflichtigen Patienten mit PD behandelt. Assistierte PD durch ambulante Pflegedienste kommt nur ganz selten zur Anwendung, u. a. weil die Vergütung nicht geregelt sei, konstatierte Dr. Benno Kitsche, Köln. Und das, obwohl in § 5 der Qualitätssicherungsvereinbarung zu Blutreinigungsverfahren festgelegt ist, dass in der Zentrumsdialyse nur Patienten behandelt werden sollten, die aufgrund ihres Krankheitsbildes einer zentrumsbasierten Dialyseform bedürfen. Da sich bis ca. 2030 die Dialysepopulation bei begrenzten Ressourcen weltweit etwa verdoppeln wird, seien dringend innovative Dialyse- und Versorgungskonzepte mit Förderung der Heimdialyseverfahren und Etablierung von „Assistenzkräften Peritonealdialyse“ oder „Assistenzkräften Heimhämodialyse“ zur Unterstützung und Durchführung der häuslichen Dialyse auch in Deutschland erforderlich. Diese müssten berücksichtigen, dass zunehmend ältere Patienten sowohl aus medizinischen Gründen als auch in psychosozialer Hinsicht andere Anforderungen an die Nierenersatztherapie stellen. Dem sollte entsprechend Rechnung getragen werden, betonte Kitsche. Voraussetzung ist, dass die theoretische und praktische Ausbildung von angehenden Nephrologen und nephrologischem Fachpersonal deutlich erweitert wird. Nur was erlernt und praktiziert wurde findet auch Eingang in die praktische Aufklärung und Therapie. Erfahrungen aus der Praxis Daten aus der Versorgungsforschung belegen, dass gut ein Drittel der Patienten zu Hause versorgt werden könnte. Obwohl viele gute Argumente für „PD first“ sprechen, landet ein Großteil der Pa tienten in Deutschland zuerst an der Hämodialyse, zu Beginn oft mit einem Vorhofkatheter. Gründe für die Anlage eines Vorhofkatheters sind u. a. sehr späte Zuweisung zum Nephrologen, Start mit Notfalldialyse, Kontraindikationen für einen Shunt, vaskuläre Probleme oder „Überbrückung“. Trotz nachgewiesen höherer Komplikations- und Mortalitätsraten wurden in Deutschland auch in 2017 weiterhin zu viele inzidente Patienten über Vorhofkatheter dialysiert, bei 17,3 % der Patienten auch noch im 3. Quartal nach Dialysebeginn (bei großen regionalen Unterschieden zwischen den Bundesländern), demonstrierte Privatdozent Dr. Horst-Walter Birk, Gießen. Das sei nicht leitliniengerecht, denn demnach sollten „zentrale Venenkatheter als letzte Möglichkeit angelegt werden, 58

ASSISTIERTE PERITONEALDIALYSE (aPD) falls ein anderer permanenter Zugang oder eine PD nicht möglich ist“. Aus gutem Grund, betonte Birk, denn es bestehe bei Nutzung der Vorhofkatheter z. B. ein erhöhtes Infektions- und Thromboserisiko. Warum also ersetze man nicht bei geeigneten Patienten den Vorhofkatheter gegen einen PD-Katheter und verschaffe den Pa tienten auf diese Weise eine bessere Lebensqualität und weniger Komplikationen? Dr. Birk praktiziert das schon seit längerem sehr erfolgreich. Die Vorteile lägen auf der Hand: Neben der Tatsache, dass die PD zu Hause, auch wenn Assistenz erforderlich ist, das kostengünstigere Verfahren ist, •• kann eine initiale/dauerhafte HD-Behandlung über zentralvenöse Katheter vermieden werden, •• kann die renale Restfunktion besser erhalten werden, •• fühlen sich die älteren Patienten in der heimischen Umgebung wohler, •• haben die PD-Patienten weniger Einschränkungen bei der Ernährung, was insbesondere bei Diabetes-Patienten relevant ist •• und sie können bei häufig in dieser Patientengruppe auftretenden kardiorenalen Syndromen schonender behandelt werden. Auch aus gesamtökonomischer Sicht sei „PD first“ bei Eignung des Patienten angezeigt: Analysen der bisherigen Fälle im Rahmen von Einzelfallentscheidungen der Kostenträger lassen ein Einsparpotenzial von 12.000 bis 15.000 Euro pro Jahr und Fall erkennen. Hinderungsgründe für „PD first“ seien nach Dr. Birks Erfahrung weniger die seltenen medizinischen Kontraindikationen für PD, sondern die häufig fehlenden logistischen Möglichkeiten für eine akute PD-Einleitung. Mit steigendem Alter der Patienten sinkt häufig die Fähigkeit zur Selbstbehandlung aufgrund von funktionellen und kognitiven Einschränkungen. Benötigte PD-Assistenz kann in vielen Fällen durch Ehepartner oder Familienangehörige nicht gewährleistet werden. Vorstellung des Patienten beim Nephrologen • Diagnose Niereninsuffizienz und Indikationsstellung Nierenersatztherapie durch Nephrologen • Nephrologe klärt Patient bei Therapiewunsch über alle Therapieoptionen auf (Peritonealdialyse, Hämodialyse im Zentrum und Heimhämodialyse, Transplantation, Palliativversorgung, konservative Behandlung bei fehlendem Therapiewunsch) Entscheidung des Patienten Abbildung 1: Behandlungspfad „Assistierte PD“ – „Shared Decision Making“. (Quelle: NADia – Netzwerk Assistierte Dialyse) Die Option einer Heimdialyse wird daher oftmals nicht angeboten. Insbesondere jedoch ist eine PD- Assistenz bei der häuslichen PD durch ambulante Pflegedienste in Deutschland nicht vorgesehen, d. h. nicht erstattungsfähig. Umfragen unter Nephrologen sowie die Studienlage sehen ca. 30 % der Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz für PD geeignet und bis zu 50 % würden PD als ihr Nierenersatzverfahren wählen, wenn sie angeboten würde, ergänzte Gabriele Hackenberg, Nephrologin in Memmingen, die aus ihrer praktischen Erfahrung die aPD bei betagten Senioren als absolut realitätsnahe und pa tientenorientierte Alternative sieht und „mit etwas Engagement und Kreativität auch die Hürden als überwindbar“ einschätzt. EDUCATION 59

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