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Leseprobe CONNEXI Neurologie Ausgabe 3-2019

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INTERVIEW CONFERENCES

INTERVIEW CONFERENCES Steinmetz: Das ist eine schwierige Frage. Die Neurologie gehört zu den wissenschaftlich aktivsten und kreativsten Fächern zurzeit in der Medizin. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Neuromedizin sind in den letzten Jahren bemerkenswert. Unser Appell ist der, diese Kreativität verstärkt wieder in die Neurointensivmedizin hinein zu tragen, weil uns nur das diesen Teil unseres Faches auch erhalten wird. Die Neurointensivmediziner haben vielleicht in der letzten Zeit nicht die wissenschaftliche Kreativität an den Tag gelegt, die andere Teilbereiche wie die Neuroimmunologie, die Neuro onkologie oder die neurodegenerativen Erkrankungen auszeichnet. Wir müssen versuchen den Nachwuchs dahin zu führen, die Intensivmedizin wieder wissenschaftlich kreativ zu gestalten. Wenn man zu inaktiv wird, verliert man irgendwann die Expertise. Dem müssen wir entgegentreten, d. h. wir müssen das wissenschaftliche Engagement des Nachwuchses dahingehend fördern, Anreize setzen. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, nicht zuletzt für Chefs als hoffentlich Vorbilder. In der Neurointensivmedizin ist zurzeit eine Qualitätsdiskussion im Gang. Woran wird Qualität in der Neurointensivmedizin gemessen, z. B. der Langzeitverlauf bestimmter neurointensivmedizinischer Maßnahmen? Steinmetz: Studien zur gesamten Intensivmedizin sind aus meiner Sicht rar. Es gibt natürlich Langzeitaussagen für bestimmte Erkrankungen, die auf ITS behandelt werden, Schlaganfall ist dafür das beste Beispiel. Aber zu vielen anderen gibt es keine Untersuchungen. Das ist im Grunde genommen der vorhin erwähnte wissenschaftliche Inhalt, an dem es z. T. etwas mangelt, und den wir liefern müssen. Das von der Gesellschaft geförderte Projekt, wie es Frau Kollegin Katja Wartenberg, Leipzig, eine der diesjährigen Preisträgerinnen des Kongresses, vorgestellt hat, ist ein solcher Versuch, die Intensivmedizin mit wissenschaftlichen Fragen wieder stärker anzureichern. Sie hat für die Subarachnoidalblutung ein neues Langzeitprojekt aufgelegt, das zu einer besseren prognostischen Aussage bei Patienten mit SAB kommen möchte. Im Titel eines Symposiums wird die Frage suggeriert, dass die Gesundheitspolitik (sprich ökonomische Zwänge) das Behandlungsergebnis bestimmt. Wenn ja, welche Konzepte gibt es seitens der Ärzteschaft, mit der schwierigen Situation zwischen begrenzten Ressourcen und hohen Qualitätsansprüchen umzugehen? Steinmetz: Dass die Gesundheitspolitik oder die Ökonomie die Behandlungserfolge bestimmen, sehe ich persönlich bisher nicht so. Aber die Frage, ob die Ökonomie das Verhalten der Ärzte beeinflusst, ist trotzdem berechtigt, und ich würde sie mit Bedauern bejahen. Dazu gibt es gute wissenschaftliche Untersuchungen. Indirekt kann das vermutlich auch Einfluss auf die Therapiewahl haben. Aber letztendlich ist die zunehmende Ökonomieorientierung der Medizin bisher der demokratisch herbeigeführte parteienübergreifende politische Wille, d. h. dass wir uns ökonomisch „selbststeuern“ sollen und damit Zielkonflikten ausgeliefert werden. Das ist sicher eine ungünstige Entwicklung, die durch das DRG-System noch verstärkt worden ist. Der Arztberuf muss aber unabhängig bleiben und darf sich nicht den „Göttern in Grau“ unterordnen. Ein Problem sehe ich aber auch darin, dass die Ressourcen in Deutschland im internationalen Vergleich zwar mit die besten sind, nur werden sie wohl oft an den falschen Stellen eingesetzt. Diese Sicht, wie sie z. B. auch Herr Prof. Gerlach vertritt, teile ich. Es geht um bessere Verteilung. Herr Professor Steinmetz, vielen Dank für dieses Gespräch. Die Fragen stellte Elke Klug 10

SCHWINDEL IN DER NOTAUFNAHME Häufige Diagnosen und Fehldiagnosen Georg Royl, Lübeck Der Schwindel ist das dritthäufigste neurologische Leitsymptom in der Notaufnahme, nach Kopfschmerzen und Lähmungen [1, 2]. Die Entscheidung benigne peripher vestibuläre vs. gravierende zentral-vestibuläre Ursache wird leider häufig unter Zeitdruck getroffen. Besonders fatal kann dabei das Übersehen eines möglicherweise gefährlichen zentralen Schwindels, z. B. als Hinweis auf einen Hirnstamminfarkt, sein. In einer großen Schwindelambulanz betrug der Anteil zentral-vestibulärer Syndrome 12 % [1]. In einer retrospektiven Studie der Charité Berlin wurde anhand der Protokolle von allen 475 konsekutiven Patienten eines Jahres, die sich mit dem Leitsymptom Schwindel in der Notaufnahme vorgestellt hatten, die dort gestellte Diagnose identifiziert. Die häufigsten Diagnosen waren der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS) (22 %), gefolgt von ischämischem Schlaganfall (20 %), Präsynkope (15 %), psychogenem Schwindel (13 %) und Neuropathia vestibularis (11 %) (Abbildung 1). Der Anteil an gravierenden Diagnosen in der Notaufnahme war mit 27 % gegenüber dem Anteil aus der Schwindelambulanz mehr als verdoppelt [2]. Sechs Prozent falsch-benigne Diagnosen Bei 124 Patienten mit verfügbarer Diagnosekontrolle (stationäre Aufnahme oder erneute kurzfristige Vorstellung in der Notaufnahme) wurde die beim zweiten Mal gestellte Diagnose mit der initialen Notaufnahmediagnose verglichen. Diese wurde in 44 % der Fälle korrigiert. In 11 % wurde eine benigne in eine andere benigne Diagnose geändert (z. B. Präsynkope statt BPLS, vestibuläre Migräne statt Neuropathia vestibularis). Bei 4 % erfolgte die Korrektur einer gravierenden Diagnose hin zu einer anderen gravierenden Diagnose, z. B. von ischämischem Hirninfarkt zu einer entzündlichen ZNS-Erkrankung. Solche Kor- CONFERENCES 11

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