HIRNTUMOREN BEI KINDERN der kognitiven Entwicklung in vielen Fällen durch intensivierte Chemotherapie ersetzt werden. Risikofaktoren für ein Rezidiv und Progression der Erkrankung sind das Alter des Patienten, ein postoperativer Resttumor >1,5 cm 2 , makroskopische und mikroskopische CSF-Metastasierung, histologischer und molekularer Subtyp. Letzteren folgend sieht die WHO-Klassifikation der Medulloblastome seit 2016 folgende Einteilung vor (Tabelle 1): Rudolf Korinthenberg rudolf.korinthenberg@uniklinik-freiburg.de CONFERENCES Tabelle 1: Aktuelle neuropathologische Klassifikation der Medulloblastome 1. Histologische Klassifikation •• klassisch •• desmoplastisch/nodulär •• extensiv nodulär •• großzellig/anaplastisch •• nicht weiter spezifiziert (NOS) 2. Genetische Klassifikation •• mit WNT-Aktivierung •• mit SHH-Aktivierung,TP53mut •• mit SHH-Aktivierung,TP53wild •• nicht-WNT/nicht-SHH aktiviert - Gruppe-3-Medulloblastom - Gruppe-4-Medulloblastom 3. Darüber hinaus korrelieren diese Typen hoch in der DNA-Methylierungsanalyse. Die klinischen und molekularen Faktoren werden im aktuellen europaweiten Therapieprotokoll PNET5 zu drei definierbaren Risikogruppen kombiniert, von denen die Standardrisikogruppe die erprobte Behandlung mit postoperativer fraktionierter kraniospinaler Radiotherapie, gefolgt von einer Erhaltungschemotherapie über ein Jahr erhält. In der Niedrigrisikogruppe wird prospektiv eine Reduktion der Strahlen-/Chemotherapiedosierung getestet, und in der Gruppe mit hohem Rezidivrisiko wird eine intensivierte Therapie z. B. mit Hochdosis-Chemotherapie und Stammzelltransplantation untersucht. Studien zur gezielten biologischen Therapie sind bisher nur in geringem Umfang bei Erwachsenen und Kindern mit progressiver Erkrankung durchgeführt worden. Unter dem SHH-Inhibitor Vismodegib erreichten Kinder deutlich seltener als Erwachsene einen anhaltenden objektiven Response oder auch nur Stabilisierung, bei jungen Kindern kam es zu einer erheblichen Hemmung des Körperwachstums. Niedriggradige Gliome (LGG) LGG finden sich bei 30−50 % der Kinder mit Hirntumoren, 10−15 % von diesen leiden an einer genetischen Grunderkrankung (Neurofibromatose 1, TSC, Noonan-Syndrom und andere Erkrankungen mit Mutationen im RAS-Pfad). Histologisch handelt es sich überwiegend um pilozytische Astrozytome WHO I (50−70 %), seltener um diffuse Astrozytome WHO II (10 %), DNET und Gangliogliom WHO I (10 %), desmoplastisches infantiles Astrozytom/Gangliogliom, subependymales Riesenzellastrozytom (SEGA) bei tuberöser Sklerose (TSC1/2) und Oligodendrogliom. Die gutartigen pilozytischen Astrozytome treten mit unterschiedlichen Szenarien auf: Das häufige Astrozytom des Kleinhirns bildet keine Metastasen und kann meist durch die Operation allein geheilt werden. Die suprasellären Opticus- und Chiasma- Gliome finden sich bei 15 % der Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 und sind hier in 75 % 62
HIRNTUMOREN BEI KINDERN der Fälle nicht progressiv. Bei Kleinkindern ohne NF1 findet sich hingegen eine erhöhte Mitoserate und gelegentlich CSF-Aussaat. Hier ist die operative Mor bidität und Mortalität sehr hoch, bessere Ergebnisse können mit Chemotherapie oder Radiotherapie (fraktioniert oder Radiochirurgie) erreicht werden. Extensive Studien haben in den letzten Jahren häufige somatische Mutationen bei LGG aufgedeckt (Tabelle 2): Tabelle 2: Somatische Mutationen bei niedriggradigen Hirntumoren des Kindesalters Pilocytisches Astrozytom: 100 % Mutationen von Genen des mitogen-aktivierten Protein-Kinase (MAPK)-Signalweges: KIAA1549:BRAF-Fusion, BRAF-V600E-Mutation, NF1, NTRK1/2/3-Fusion, PTPN11 DNET: FGFR1-Mutationen oder strukturelle Rearrangements, BRAF-V600E-Mutation Pleomorphes Xanthoastrozytom: BRAF-V600E-Mutation, 9p21-(CDKN2A/B)–Deletionen Gangliogliom: BRAF V600E-Mutation Diffuses und angiozentrisches Astrozytom: MYB/MYBL1- Onkogen-Amplifikation Diffuses Astrozytom: FGFR1, MYB und MYBL1, im Unterschied zum Erwachsenenalter allenfalls einzeln IDH, IDH1/2- Mutationen und nur sehr selten Malignisierung. Mutation (evtl. auch mehrfache), histologischer Typ und Lokalisation im ZNS korrelieren dabei deutlich, zeigen aber doch im Individuum eine hohe Variabilität. Mit dem Ziel, Daten für zukünftige Therapiestrategien zu gewinnen, wird deshalb im Rahmen der kooperativen Therapiestudien bei allen Patienten eine eingehende molekulare Analyse des Tumors angestrebt. Neue Therapieansätze Mittels molekularer Analyse des Tumors haben sich bereits folgende neue Therapieansätze ergeben bzw. stehen in der Erforschung: •• mTOR-Inhibitoren sind bei supendymalem Riesen zellastrozytom bei TSC (SEGA) effektiv und gut verträglich. Everolimus ist zur Behandlung nicht kurativ operabler Tumoren ab dem Alter von drei Jahren zugelassen. •• MEK- und BRAF-V600E-Inhibitoren stellen vielversprechende Substanzklassen dar. Ihr Stellenwert ist in zukünftigen Studien zu prüfen; die akuten und langfristigen Toxizitäten bei Kindern sind kritisch zu evaluieren. •• LOGGIC-Europe (Start 2018/19): Molekulare Diagnostik obligatorisch, Randomisierung Vinblastin mono vs. Vinblastin+Carboplatin vs. Trametinib, bei Therapieversagen in Arm 1 und 2 Rescue-Behandlung mit Trametinib. Fazit Bei zahlreichen Hirntumor-Entitäten des Kindesalters (auch über die hier besprochenen Krankheitsbilder hinaus) wurden in den zurückliegenden Jahren molekulare Grundlagen aufgedeckt, die in den laufenden kooperativen Therapieprotokollen systematisch weiter untersucht werden. Soweit eine prognostische Bedeutung bereits gezeigt wurde, dienen sie in einigen Studien einer risikoangepassten Stratifizierung der Behandlung. Daneben wurde und wird der therapeutische Einsatz hemmender Substanzen gegen aktivierte onkogene Pfade studiert, wobei aber bislang nur der mTOR-Inhibitor Everolimus eine überzeugende Wirksamkeit bei inoperablen subependymalen Riesenzellastrozytomen im Rahmen der tuberösen Sklerose (TSC 1 und 2) gezeigt hat und zur Behandlung ab dem Alter von drei Jahren zugelassen wurde. Professor em. Dr. med. Rudolf Korinthenberg Vorsitzender der Ethikkommission der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg Engelbergerstr. 21, 79106 Freiburg CONFERENCES 63
Neurologie 3-2019
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