SPEED UPDATE gen), die zu einer Fazilitierung der Fortleitung und Empfindung nozizeptiver Reize führt. Da es in vielen Studien Hinweise auf eine veränderte Nozizeption auch bei nozizeptiven Schmerzen gab, hat die IASP den Terminus „noziplastischer Schmerz“ als eine neue Kategorie von Schmerzen eingeführt. Hierunter werden Schmerzen verstanden, die durch eine veränderte Nozizeption bedingt sind, ohne dass es Hinweise für eine Erkrankung oder Schädigung des somatosensorischen Systems gibt. Neuropathische Schmerzen werden somit klar von noziplastischen und nozizeptiven Schmerzen unterschieden. Die Unterscheidung ist wichtig, da neuropathische Schmerzen sich in der Therapie unterscheiden. Neuropathische Schmerzen − drei Cluster Neuropathische Schmerzen weisen oft eine brennende, schneidende oder elektrisierende Charakteristik auf. Typisch sind darüber hinaus Sensibilitätsstörungen (Hypästhesie, Hyperästhesie, Dysästhesie, Hypalgesie, Hyperalgesie, Allodynie), PD Dr. med. Janne Gierthmühlen Janne.Gierthmuehlen@uksh.de Die Diagnostik individueller pathophysiologischer Mechanismen könnte eine individualisierte personalisierte Therapie dieser Mechanismen ermöglichen. CONFERENCES die sich in verschiedenen Qualitäten (thermisch, mechanisch) äußern können. Die verschiedenen Symptome können individuell auch bei gleicher Ätiologie unterschiedlich vorhanden und ausgeprägt sein, sie sind Spiegel der zugrundeliegenden Pathomechanismen, die bei dem jeweiligen Pa tienten eine Rolle spielen [1, 2, 3]. In einer großen europaweiten Studie hat sich gezeigt, dass Patienten mit neuropathischen Schmerzen durch drei große Cluster (thermische Hyperalgesie, sensorischer Verlust, mechanische Hyperalgesie) charakterisiert werden können [4,5]. Die Diagnostik dieser individuellen pathophysiologischen Mechanismen durch Untersuchung der individuellen somatosensorischen Perzeption könnte zukünftig eine individualisierte personalisierte Therapie eben dieser Mechanismen ermöglichen. Die unterschiedlichen Pathomechanismen, die bei den verschiedenen Patienten eine Rolle spielen, könnten somit auch erklären, warum viele klinische Studien mit Medikamenten, die vielversprechend 16
Tabelle 1: Evidenzbasierte Therapie neuropathischer Schmerzen Medikament Dosis Besonderheiten 1. Wahl Gabapentin Pregabalin Zieldosis: 1.200-2.400 (3.600) mg/d Zieldosis: 150 (-600) mg/d NW: Müdigkeit, Schwindel, Ödeme; keine Interaktionen, Dosis an Nierenfunktion anpassen 1. Wahl Duloxetin Zieldosis: 60 mg/d (maximal 120 mg/d) NW: Antriebssteigernd, Übelkeit, Blutzuckeranstieg CAVE: CYP-Interaktionen; Raucher! Nur für schmerzhafte diabetische Polyneuropathie zugelassen 1. Wahl Amitriptylin 10–75 mg/d (maximal 150 mg) NW: Sedierend; Gewichtszunahme, anticholinerg Cave: AV-Block, Glaukom, Miktionsstörungen, Hypotension, CYP-Interaktionen 2. Wahl Capsaicin-8 %-Pflaster 1–4 Pflaster für 30–60 Minuten, dann 90 Tage Pause 2. Wahl Lidocain-Pflaster 1–3 Pflaster für 12 Stunden pro Tag, dann 12 Stunden Pause im Applikationsareal: Erythem, Unverträglichkeitsreaktionen, Schmerzzunahme ggf. mit Blutdruckanstieg; keine systemischen Nebenwirkungen oder Interaktionen im Applikationsareal: Erythem, Unverträglichkeitsreaktionen; keine systemischen Nebenwirkungen oder Interaktionen nur für postherpetische Neuralgie zugelassen 2. Wahl Tramadol Zieldosis: 100–400 mg/d nach Titration NW: Übelkeit, Hypotension; keine Kombination mit serotonergen Substanzen 3. Wahl Hochpotente Opioide Dosierungen nach Titration; Tapentadol max. 500 mg/d 3. Wahl Botulinumtoxin A (Onabotulinumtoxin A) 50–200 IE, in spezialisierten Zentren Off-Label Use NW: Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Harnverhalt, Hypotension, Bradykardie, Atemdepression, Abhängigkeit, Juckreiz, Schwindel, Sedierung, erhöhte Krampfbereitschaft Die Dosierungsempfehlungen können aufgrund von Erfahrungen der Autoren von den Herstellerempfehlungen abweichen. Es sind häufige Besonderheiten vermerkt, zur Vollständigkeit siehe Herstellerangaben. NW: Nebenwirkungen in Voruntersuchungen waren, negative Ergebnisse gezeigt haben, da der Einschluss in die Studien nicht nach zugrundeliegenden Mechanismen erfolgte. Die erste Studie, die nach somatosensorischem Phänotyp (sensorischer Funktionsgewinn versus -verlust) unterteilte, konnte zeigen, dass Oxcarbazepin im Vergleich zu Placebo nur bei Pa tienten mit sensorischem Funktionsgewinn wirksam war [6]. Weitere Studien konnten bestätigen, dass sich Patienten-Subgruppen mit verschiedenen sensorischen Profilen in der Ansprechbarkeit auf bestimmte Therapien unterscheiden [7, 8]. Da die Schmerzreduktion bei vielen Patienten bislang nur unbefriedigend ist, ist die Idee der mechanismenbasierten Therapie heutzutage international als Innovation der neurologischen Schmerzforschung anerkannt und könnte die Versorgung unserer Schmerzpatienten in der Zukunft deutlich verbessern. Pharmakotherapie Die pharmakologische Therapie neuropathischer Schmerzen greift an unterschiedlichen Punkten der verschiedenen Pathomechanismen neuropathischer Schmerzen an. Zur Anwendung kommen als erste Wahl kalziumkanalmodulierende Antikonvulsiva (Gabapentin/Pregabalin) sowie tri- und tetrazyklische Antidepressiva und der selektive Serotonin-/ Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer Duloxetin [9]. Bei fokalen Nervenläsionen können Lidocainund Capsaicin-8 %-Pflaster mit geringeren Nebenwirkungen als systemische Pharmakotherapeutika eingesetzt werden (Tabelle 1). Die Auswahl des Medikamentes richtet sich nach den Vorerkrankungen und Begleitmedikamenten der Patienten. Opioide sind zwar wirksam, es sollten hier jedoch die Nebenwirkungen und das Abhängigkeitspotenzial beachtet werden. Niederpotente Opioide können als CONFERENCES 17
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