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Leseprobe CONNEXI Schmerz Ausgabe 7-2018

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CHANCEN DER

CHANCEN DER MEDIZINISCHEN CANNABISTHERAPIE NUTZEN Gute Erfahrungen vor allem in der Schmerztherapie Abbildung 1: Makroaufnahme einer Cannabisblüte EDUCATION Die medizinische Anwendung von Cannabis bietet vielen Patienten mit chronischen Erkrankungen und Schmerzen Linderung bei in der Regel sehr guter Verträglichkeit. In Kanada wird Cannabis bereits seit vielen Jahren vor allem in der Schmerztherapie erfolgreich eingesetzt. Dr. Caroline MacCallum aus Vancouver berichtete auf einem Seminar während des DGS Kongresses in Frankfurt/Main von ihren langjährigen Erfahrungen und gab Tipps für die Anwendung der verschiedenen Cannabisprodukte. Mit Entdeckung des endogenen Cannabinoidsystems Anfang der 1990er-Jahre hat das Interesse an der medizinischen Anwendung von Cannabis stark zugenommen. Identifiziert wurden die beiden Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 sowie verschiedene Endocanna binoide, die selektiv an diese Rezeptoren binden. Die Re zeptoren lassen sich in unterschiedlicher Verteilung im ganzen Körper nachweisen, wobei CB1 vor allem auf die Zellen des ZNS lokalisiert 32

CHANCEN DER MEDIZINISCHEN CANNABISTHERAPIE NUTZEN ist, CB2 dagegen vorwiegend auf die Zellen des Immunsys tems. Das Endocannabinoid-System verfügt über vielfältige Interaktionen mit anderen Transmittersystemen und ist an der Regulation zahlreicher Prozesse beteiligt, berichtete die Expertin. Dazu gehören Schmerz, Appetit, Schlaf-Wach-Rhythmus, psychische Prozesse, Immunfunktionen und vieles mehr. Dies erkläre das breite therapeutische Spektrum von Cannabis. So werden unter anderem analgetische, antispastische, antiemetische, antiinflammatorische und neuroprotektive Wirkungen beschrieben. Cannabinoide wirken analgetisch, angstlösend, antidepressiv und antiemetisch. THC ist darüber hinaus ein Muskelrelaxans und für das euphorische „High“-Gefühl verantwortlich. CBD werden dagegen antiinflammatorische und antipsychotische Wirkungen zugeschrieben. Bei Anwendung von überwiegend CBD-haltigen Pflanzen bleibt das typische High-Gefühl aus – die euphorisierende Wirkung von THC wird zudem durch CBD ausgebremst. Je nach Indikation und Bedürfnissen des Patienten sollte die Pflanze mit dem am besten geeigneten THC/CBD-Verhältnis zur Anwendung kommen. Produkte aus der Gesamtpflanze am effektivsten Hauptsächlich gehen diese Wirkungen auf die in der Blüte der weiblichen Pflanze (Abb. 1) enthaltenen Cannabinoide zurück, deren Hauptvertreter Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) sind. Darüber hinaus enthält die Cannabispflanze aber noch mehr als 400 weitere Substanzen, die im Sinne eines „Entourage“-Effektes zur Gesamtwirkung der Pflanze beitragen. Deswegen würde sie in der Therapie immer aus der Gesamtpflanze hergestellte Produkte gegenüber synthetischen Cannabinoiden bevorzugen, betonte Dr. MacCallum. Der Effekt sowie die Verträglichkeit seien hier nach ihrer Erfahrung deutlich besser, weshalb auch die meisten Patienten die pflanzlichen Produkte bevorzugen würden. Unterschiedliches Wirkspektrum von THC und CBD Für eine individuelle Therapie sei es wichtig, die Wirkungen von THC und CBD zu kennen, die in sehr unterschiedlichen Konzentrationen in den verschiedenen Cannabissorten enthalten sind. Beide Gute Evidenz bei verschiedenen Krankheitsbildern Sehr gute Evidenz aus randomisierten klinischen Studien gibt es für Cannabis für die Behandlung chronischer neuropathischer Schmerzen, oft schmerzhafter Spastiken bei multipler Sklerose (MS) und chemotherapieinduzierter Übelkeit [1]. Aber auch bei vielen anderen Indikationen wie Epilepsie, Tic-Symptomatik beim Tourette-Syndrom, Morbus Parkinson, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei HIV/AIDS oder chronischen Schmerzen bei Tumorerkrankungen, rheumatischen Erkrankungen oder Fibromyalgie lohne sich nach ihrer Erfahrung ein Versuch – vor allem, wenn herkömmliche Medikamente keinen ausreichenden Effekt gezeigt haben, betonte die Referentin. Cannabis sei in der Regel keine First-Line-Therapie, sondern komme nur zum Einsatz, wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind. „Keine Evidenz“ bedeute hier letztendlich nur, dass die Studienlage heute noch nicht ausreicht – nicht aber, dass die Substanz nicht wirkt, sagte Dr. MacCallum. Ein positiver Nebeneffekt von Cannabis in der Schmerztherapie sei die mögliche Einsparung von Opioiden, die im Mittel bei 30 % liegt [2]. EDUCATION 33

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