EINE ABWÄGUNG AM BEISPIEL PRT Wie invasiv darf/soll Schmerztherapie sein? Stephan Klessinger, Biberach an der Riß © Shutterstock/Anetlanda CONFERENCES Gerne wird die Abkürzung PRT (periradikuläre Therapie) als Überbegriff für sämtliche Injektionstechniken an der Wirbelsäule verwendet. Auf eine präzise Bezeichnung sollte aber ebenso Wert gelegt werden wie auf eine präzise Technik. Dieser Beitrag bietet eine Definition für die PRT und zeigt die Evidenz für dieses Verfahren anhand aktueller Literatur auf. Bei einer invasiven Schmerztherapie wird mit einer Nadel durch die Haut hindurch punktiert, um eine bestimmte Stelle im Körper direkt zu erreichen. Somit ist Voraussetzung, dass der Interventionalist ein klares Ziel, eine genau definierte anatomische Struktur benennen kann. Ziel der Intervention kann eine Therapie eben dieser Struktur sein, so können eine Schmerzursache (z. B. eine Entzündung) behandelt und systemische Medikamentenwirkungen und -nebenwirkungen vermieden werden. Interventionen werden aber auch zur Diagnostik genutzt. Es ist möglich, eine Schmerzursache (z. B. ein bestimmtes Gelenk, einen Nerv) zu finden oder auch zu definieren, ob die Symptomatik tatsächlich radikulär ist. Sehr häufig fällt der Begriff „PRT“ im Rahmen von Interventionen an der Wirbelsäule. Leider werden dieser und andere Begriffe häufig nicht sehr präzise verwendet, so dass eher Verwirrung entsteht. Der Begriff PRT ist nicht synonym mit PDA, PDI, Facettenblockade oder Radiofrequenzdenervation. So kommt eine PRT nur bei radikulären Beschwerden in Frage, nicht aber bei axialen Rückenschmerzen (hierfür gibt es andere geeignete Interventionen). In diesem Beitrag soll eine exakte Definition einer „PRT“ erfolgen. Zudem wird anhand der Guidelines der Spine Intervention Society [1] und der verfügbaren aktuellen wissenschaftlichen Literatur die Evidenz für dieses Verfahren aufgezeigt, um die Eingangsfrage, wie invasiv Schmerztherapie sein darf oder soll, zu beantworten. Anatomie Das „R“ in PRT steht für radikulär. Damit sind die Nervenwurzeln (Radix anterior bzw. Radix posterior) gemeint, die aus dem Rückenmark austreten und im Bereich der Lendenwirbelsäule als Cauda 36
EINE ABWÄGUNG AM BEISPIEL PRT Abbildung 1: Darstellung der Nervenwurzeln, die sich im Foramen zum Spinalnerven vereinigen. Die Nervenwurzeln und das Spinalganglion liegen intradural. konservative Therapie PRT OP Abbildung 2: Zeitliche Einordnung einer PRT. Ziel ist es auch, eine OP zu vermeiden. equina bis zum Neuroforamen ziehen. Im Neuroforamen, noch intradural, liegt das Spinalganglion. Dahinter vereinigen sich die Nervenwurzeln und bilden den Spinalnerven, der sich aber nach wenigen Millimetern aufzweigt in einen Ramus ventralis und einen Ramus dorsalis (Abbildung 1). Indikation Eine PRT ist nur indiziert, wenn auch eine radikuläre Symptomatik vorliegt. Typischerweise findet sich ein bandartiger, einschießender, elektrisierender, neuropathischer Schmerz, der einem Dermatom folgt. Zu beachten ist, dass natürlich nicht jeder ins Bein ausstrahlende Schmerz radikulär ist. Kommt eine Reflexabschwächung, Sensibilitätsstörungen oder eine Parese hinzu, so spricht man von einer Radikulopathie. Der häufigste Grund für eine radikuläre Symptomatik ist ein Bandscheibenvorfall. Allein das Vorhandensein von Bandscheibengewebe im Spinalkanal führt schon zu einer Entzündungsreaktion (PLA2, Interleukine, TNF und NO sind nachweisbar) [2] und kann somit Schmerzen verursachen. Die mechanische Kompression der Nervenwurzel ist für die Dysfunktion verantwortlich. Die Idee der PRT ist es, diese Entzündung zu behandeln, um dadurch die Symptomatik zu lindern. Dies macht insbesondere Sinn, da der natürliche Verlauf eines Bandscheibenvorfalles in den meisten Fällen die Resorption ist. In der Regel wird eine PRT erst nach erfolgloser konservativer Therapie eingesetzt. Ein weiteres Ziel ist es, eine Operation zu vermeiden und das Fortsetzten der konservativen Therapie zu ermöglichen (Abbildung 2). Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass es möglich ist, durch eine PRT eine OP zu vermeiden. In den Studien von Riew et al. [3, 4] konnte nach 13–28 Monaten bei 57 % der Patienten und nach fünf Jahren bei 81 % der Patienten eine OP vermieden werden. Man könnte zusammenfassen: „We reserve surgery for those in whom injections fails“ [5]. Zudem kann eine diagnostische PRT zur Abklärung einer OP-Indikation (welche Nervenwurzel ist symptomatisch) verwendet werden. Durchführung einer PRT Vor einer PRT muss eine Anamnese und eine Untersuchung des Patienten erfolgen (Bestehen Hinweise auf eine radikuläre Symptomatik?). Zudem muss das MRT beurteilt werden, um zu entscheiden, welcher Zugang der geeignetste ist. Ziel einer jeden PRT muss es sein, das Medikament in den ventralen Epiduralraum zu bringen. Da die Nervenwurzeln und das Spinalganglion intradural liegen, muss eine periradikuläre Therapie epidural sein. Bei jeglicher Abweichung hiervon (z. B. wenn der Spinalnerv oder der ventrale Ast des Spinalnerven als Ziel gewählt wird) darf nicht von einer PRT gesprochen werden. Im englischsprachigen Raum CONFERENCES 37
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