IN DER SCHMERZTHERAPIE Methadon Hans-Jörg Hilscher, Iserlohn Tode je 100.000 Einwohner 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 CONFERENCES kungen stammen aus dieser Zeit der Anwendung von Dosen im Grammbereich. Auch seine erste Anwendung außerhalb der Indikation Schmerz, die Drogenersatztherapie, wurde mit diesen extremen Dosen durchgeführt [2]. Eine Anwendung, die zurückzuführen ist auf die Tatsache, dass Methadon, auf Grund seiner langen Wirkdauer keinen „Kick“ verursacht. Die Kicks entstehen durch wiederholtes rasches Anfluten von viel µ-Agonisten auf freie µ-Rezeptoren. Methadon blockiert diese für mehr als 24 Stunden. Es macht daher wie alle Opiate und Opioide abhängig, aber nicht wie alle anderen süchtig, ein Problem dieser Substanzgruppe, was sich als Opioidkrise in den USA deutlich ausdrückt. In den Grafiken und dem Text der Studie zur Opioidkrise vom Februar 2019 zeigt sich, wie relativ ungefährlich das verschriene Methadon ist (Abbildung 1). Die Erkenntnisse aus der erfolgreichen Behandlung der Heroinsucht mit Methadon führten im Jahre 2005 dazu, dass die WHO Methadon als Drogenersatztherapeutikum in die Liste der essential drugs aufnahm. Im Jahre 2000 beschäftigte sich zum ersten Mal wieder ein Wissenschaftler mit dem schmerzmedizinischen Aspekt des Methadons. Er nannte seinen Artikel, in dem er auch zum ersten Mal Dosisäquivalenzen zum Methadon erarbeitete, wegweisend „The rediscovery of methadone for cancer pain management“ [3]. Ich habe seine Äquivalenzdaten in einem Graphen umgesetzt, um Extrapolationen unnötig zu machen. Aus dem Graphen ergibt sich unschwer die richtige Dosis zur Rotation auf Methadon, wenn die Morphinäquivalenz des bisher verwendeten µ-Agonisten bekannt ist. Mit diesem Wissen und den Erkenntnissen aus einer israelischen Studie an 18.000 Methadonsubstituierten über fast 180.000 Beobachtungsjahre sowie aus einer amerikanischen Studie an über 30.000 Tumorpatienten erhob die WHO 2017 Methadon erneut in die Liste der essential drugs, diesmal für die Schmerztherapie in der Palliation für Erwachsene und Kinder! [4]. Die israealle Opioide Es gibt wohl kaum ein Medikament aus der Reihe der µ-Agonisten außer dem Heroin (Diacetylmorphin), das im Laufe seiner Existenz mehr Höhen und Tiefen, mehr Legendenbildung und mehr Missverständnisse über seine Wirkungen hat erdulden müssen als das 1937 von den I.G. Farben entwickelte Methadon. Dass es als „Adolphin“ im Krieg in Gebrauch gewesen sei, ist eines der ältesten Märchen, tatsächlich wurde es erst ab 1947 unter dem Markennamen Dolophine (Freiname andere synthetische Opioide (z. B. Fentanyl, Tramadol) Heroin natürliche und semisynthetische Opioide (z. B. Oxycodon, Hydrocodon) Methadon 0 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Abbildung 1: Todesfälle (2000–2016) durch Überdosierung von Opioiden, nach Opioidtyp (modifiziert nach [17]). Methadon) in den USA eingesetzt. Die Nutzung des unter dem Namen Amidon in der Armee eingeführten Medikaments fand nie statt. Im Jahr 1949 führte ein Rechtsnachfolger der I.G. Farben, die Firma Höchst, das Methadon unter dem Namen Polamidon ein [1]. Wie viele Medikamente erfuhr auch Methadon eine heftige Zeit der Dosis- und Indikationsfindung mit heroischen Anwendungsmengen in den 1950ern. Ein Großteil der Kenntnisse über seine Nebenwir 46
IN DER SCHMERZTHERAPIE lische Studie [5] weist eine tumorprotektive Wirkung von Methadon gegen Mamma- und Kolonkarzinome nach, die amerikanische [6] eine signifikant bessere Lebenserwartung methadontherapierter Tumorpatienten gegenüber morphintherapierten auf. Im Labor- und Tierversuch konnten diese Wirkungen von verschiedenen Instituten ebenfalls gezeigt werden, mehr noch, Methadon wirkt verstärkend auf Chemo- und Strahlentherapie [7]. DL-Methadon, das Razemat des sterischen Wirkstoffs, ist als einziges aller in Deutschland zur ambulanten Therapie zugelassenen starken Opiate/ Opioide nicht als Fertigarzneimittel mit der Indikation Schmerz im Handel. Diese starken Opiate/ Opioide sind: Morphin, Fentanyl, Hydromorphon, Oxycodon, Buprenorphin, L-Methadon, Pethidin, Piritramid (Tapentadol). Umstellung von transdermalem Fentanyl Als einfachste Methode kann ich folgendes Vorgehen empfehlen (gilt analog auch für Buprenorphin-Pflaster): Das vorhandene Pflaster wird um 17:00 Uhr entfernt und 3 h danach, also 20:00 Uhr, wird mit der Verabreichung der halben vorgesehenen Tagesdosis Methadon begonnen. Da es sich nach vielen Hundert Umstellungen als nahezu unmöglich erwiesen hat, einen verlässlichen Umrechnungsmodus zu ermitteln, hier die Erfahrung: • 12 µg Fentanyl TTS ~ 2 x 10 Tr. Methadon • 25–50 µg Fentanyl TTS ~ 2 x 20–25 Tr. Methadon • 75–100 µg Fentanyl TTS ~ 2 x 30–35 Tr. Methadon • 125–175 µg Fentanyl TTS ~ 2 x 40–50 Tr. Methadon [Die µg-Angaben bedeuten jeweils einschließlich beider Pflastergrößen] Dr. med. Hans-Jörg Hilscher MAE info@pkdnil.de Methadon ist nur als sein linksdrehendes Isomer unter dem Namen L-Polamidon im Handel. Sein rechtsdrehendes Isomer, was starke antitussive Eigenschaften aufweist und verantwortlich für die Blockierung oder Aufhebung einer Toleranzentwicklung sowie für die starke Hemmung neuropathischer Schmerzen ist (NMDA-Rezeptor- Antagonist), findet sich nicht im L-Polamidon [8]. Dextromethadon weist in Dosen von mehr als 50 mg (~ 100 mg Razemat) kardiotoxische Nebenwirkungen (QT-Verlängerung, Torsade des Pointes) auf [9]. Der Metabolismus von Methadon ist ohne wirksame Abbauprodukte, ganz im Gegensatz zum Prodrug Morphin und fast allen oben genannten Wirkstoffen. Methadon wird zu 70 % unverändert und kompetitiv über Leber und Nieren ausgeschieden, 30 % fallen als Stoffwechselprodukt von Cytochrom P450 als EDDP an. Medikamentöse Interaktionen mit Cytochrom P450 erhöhen daher nur die Ausscheidung an unverändertem Methadon. Dosisanpassungen bei Leberinsuffizienz (Metastasenleber, Zirrhose) oder Niereninsuffizi CONFERENCES 47
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