HERZGESUNDE ERNÄHRUNG Die Hürden bei der Umsetzung sind hoch Elisabeth Schieffer, Hannover Umfragen bestätigen, gesunde Ernährung ist fast allen Deutschen wichtig (90 % Ernährungsreport BMEL 2019/20). Andererseits führen Currywurst, Pommes und fleischhaltige Gerichte seit Jahren die Hitliste von Caterern und Betriebskantinen an [1]. Wunsch und Wirklichkeit scheinen beim Thema Ernährung häufig weit auseinander zu liegen. Worin liegen die Hürden sich gesund zu ernähren? connexiplus Unsere Ernährung unterliegt einer Vielzahl von Einflussfaktoren: kulturelle und familiäre Prägungen, Verfügbarkeit, Kosten, Wissen, Zeitaufwand und nicht zuletzt ausgeklügelten Marketingstrategien der Lebensmittelindustrie. Die Komplexität des Themas lässt keine einfachen Lösungen erwarten. Dennoch bieten wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre sowie die aktuelle coronabedingte Situation das Potenzial, das Ernährungsverhalten nachhaltig zu beeinflussen. Bereits der Begriff „herzgesunde Ernährung“ lässt sich nicht in eine einfache Definition fassen. Während man früher den Fokus auf Einzelkomponenten legte, wie eine cholesterin- oder salzreduzierte Diät, gehen die Empfehlungen heute vielmehr dahin bestimmte Ernährungsformen zu empfehlen. Die mediterrane Ernährungsweise steht hier zuvorderst, nicht zuletzt, weil die Vorteile einer solchen Ernährungsform durch zahlreiche Publikationen wissenschaftlich untermauert wurden [2, 3]. Sie ist gekennzeichnet durch frisches Gemüse, Obst, Fisch, Ballaststoffe und gesunde Fette. Der Vollständigkeit halber sei auch auf andere gesundheitsförderliche Ernährungsweisen wie die DASH (Dietary Approaches to Stop Hypertension)- Diät [4], eine leichte Vollkost oder eine modifizierte mediterrane Diät, wie sie durch kulturelle oder geografische Begebenheiten angepasst wurde, hingewiesen. Die Umsetzung einer Ernährungsform ist ein deutlich komplexerer Vorgang als die Veränderung von Einzelkomponenten. Dies beginnt bereits bei der Wissensweitergabe und setzt sich beim Einkauf und der Zubereitung fort. Hier scheint die erste Hürde zu liegen, wie eine aktuelle Studie der AOK zeigt [5]: Über die Hälfte der Bundesbürger weist eine problematische oder inadäquate Kompetenz im Bereich Mahlzeiten planen und zubereiten, gesunde Produkte auswählen, haushalten, gemeinsam essen und bei dem Problem ungesunden Snacks zu widerstehen auf. Wissensvermittlung essenziell Dies zu ändern ist eine interdisziplinäre Herausforderung. Hier sind in besonderer Weise die Schulen gefordert. Dort sollte eine professionelle und nach aktuellem Stand ausgearbeitete Wissensvermittlung bzgl. einer gesunden Ernährung und eines gesunden Lebensstils endlich bundesweit umgesetzt werden. Ein nicht zu unterschätzender Einfluss auf unser Ernährungsverhalten betrifft das Marketing der Lebensmittelindustrie. Eine mediterrane Ernährungsform eignet sich nicht für Werbekampagnen. Stattdessen greift die Lebensmittelindustrie beim Marketing häufig Einzelkomponenten auf. Hierbei wird mit Strategien wie zucker- und fettreduzier 38
ten oder neuerdings auch proteinreichen Produkten eine vermeintlich gesunde Ernährung suggeriert. Der Nachweis über gesundheitsförderliche Effekte der zumeist hochverarbeiteten Lebensmittel steht dabei aus und ist in großen Teilen auch nicht zu erwarten, denn die für die Gesundheit so wichtigen Komponenten wie gesunde Fette und frisches Obst und Gemüse, die eine Vielzahl an Vitaminen, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstoffen liefern, gelangen damit immer noch nicht auf den Speiseplan. Eine Berücksichtigung dieser Zusammenhänge wäre auch wünschenswert bei den Empfehlungen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die ihren Schwerpunkt bisher auf eine „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie: Weniger Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ gesetzt hat. Herausforderung Gemeinschaftsverpflegung Appelle an das Individuum sich gesünder zu ernähren sind häufig wenig effektiv [6]. Dies mag auch daran liegen, dass nur noch 40 % der Bevölkerung täglich kochen [7]. Häufig wird dies mit Zeitmangel begründet. Darüber hinaus sind in Deutschland 40 % der Haushalte Einpersonenhaushalte und Erklärungen wie: „Für mich allein lohnt sich der Aufwand (zu kochen) ja nicht“, hat sicherlich jeder Arzt, der sich mit Ernährung beschäftigt, schon gehört. Daher kommt der Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen, Betriebskantinen, Krankenhäusern und Pflegeheimen eine zunehmende Bedeutung zu. Genuss Kultur Soziales Ungesund=billiger Emotionen Kosten Verfügbarkeit Wissen Abbildung 1: Ernährung unterliegt einer Vielzahl von Faktoren, die in ihrer Komplexität langfristiger integrierter Lösungen unter medizinischen, sozialen, ernährungs- und umweltpolitischen Aspekten bedürfen. Einer Veränderung der Ernährungs-Umgebungsbedingungen widmet sich auch ein aktuelles Gutachten des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) [8] des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es wird darin empfohlen, den Schwerpunkt auf eine Änderung der Verhältnisse, also der Umgebung zu legen. Eine gesündere Ernährung in Gemeinschaftsverpflegungen einzuführen stellt sich für alle, die sich damit schon einmal befasst haben, als komplexe, schwierig zu lösende Aufgabe dar. Da der Geschmack das wichtigste Kriterium beim Essen ist [7], muss gesundes Essen, um von der Mehrheit akzeptiert zu werden, auch gut schmecken. Ein ebenso wichtiger Faktor ist der Preis für viele Konsumenten. Gemüse und Fisch sind teurer als viele energiereiche, nährstoffarme Lebensmittel Kantine Einkaufsoptionen Fast Food Diäten, Kochen, Lebensmittelkunde Informationen: fehlend, widersprüchlich connexiplus 39
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